1. KAPITEL
Selbst zu seinen besten Zeiten hatte sich Adam Brody nie für Hochzeitsempfänge erwärmen können. Die lärmende Menge, das überreichliche Festessen, das Duftgemisch aus verschiedenen Parfüms und Aftershave in der Luft, dies alles war nicht seine Welt. Aber der negative Höhepunkt des Festes war erreicht, als die Brautjungfer zu ihm kam und sagte: „Ich möchte dem Tod trotzen.“
Die Trauungszeremonie war ohne Probleme abgelaufen. Adam wollte sich auch gar nicht beschweren, hatte er doch schon ganz andere Torturen hinter sich. Zum Beispiel, drei Monate lang an ein Krankenhausbett gefesselt zu sein. Und bis auf seinen Toast auf das Brautpaar hatte er den Kontakt zu den anderen Gästen erfolgreich vermieden.
Bis Julia Knox gekommen war und diesen unglaublichen Satz ausgesprochen hatte.
Adam hätte fast das Käsehäppchen verschluckt, das er sich in den Mund gesteckt hatte. Das „Quimby Woodwind Trio“, spielte gerade „Sunrise, Sunset“, und er hatte beschlossen, gleich zu verschwinden.
Aber zuerst musste er sich mit Julia beschäftigen. Er hatte sich eine Menge Sachen überlegt, die sie ihm bei ihrem Wiedersehen sagen würde. „Ich möchte dem Tod trotzen“, hatte nicht dazugehört.
Vorsichtig nahm er den Zahnstocher aus dem Mund. „Wie bitte?“
„Ich möchte dem Tod trotzen.“ Julia sah ihn ganz ernst mit ihren grünen Augen an. Aber sie war überhaupt fast immer sehr ernsthaft. Gerade deshalb war er ja so erstaunt darüber, was sie gesagt hatte. „Und du sollst es mir beibringen“, fuhr sie energisch fort. Es schien kein Scherz zu sein, obwohl sie in ihrem voluminösen Chiffonkleid und dem Blumenschmuck im Haar wie Heidi von der Alm aussah.
Hochzeiten lösten merkwürdige Reaktionen bei Frauen aus. Nachdem er selbst einmal damit zu tun gehabt und alles in einer Katastrophe geendet hatte, mied er den Kontakt zu allen heiratswilligen Frauen. Nur die Tatsache, dass es sich um die Heirat seines älteren Bruders, Zack, handelte und er der Trauzeuge war, hatte ihn zur Teilnahme an der Feier bewogen. Es war ein weiter Weg gewesen, besonders für einen Hinkenden. Glücklicherweise hatte Zack ihn verstanden. Immerhin hatte er es ertragen, dass seine Braut die letzten drei Monate über nichts anderes als Farbschemata und die Gästeliste geredet hatte, als wäre es das Wichtigste auf der Welt.
Es war ganz einfach. Bei Hochzeiten waren Frauen nicht zurechnungsfähig.
Aber Julia Knox …
Sie war so gar nicht der impulsive Typ.
Es war lange her, dass Adam seine kleine Heimatstadt Quimby im Mittleren Westen verlassen hatte. Bei der ruhigen, vernünftigen Julia hätte er als Letztes damit gerechnet, dass sie sich verändert hatte, aber schließlich war alles möglich.
Eigentlich war er im Begriff gewesen, zu gehen, aber nun hatte sie seine Neugier geweckt.
„Es mag vielleicht nicht der ideale Zeitpunkt sein“, setzte sie erneut an, „aber für mich heißt es jetzt oder nie. Obwohl du so ein prominentes Mitglied der Hochzeitsgesellschaft bist, ist es schwer, an dich heranzukommen.“
Er zuckte mit den Achseln. Julia musste doch am besten wissen, wieso.
Sie blickte ihn nachdenklich an. „Du bist doch bestimmt sofort unter die Lupe genommen worden, als du dich in Quimby gezeigt hast, oder?“
„Ja, aber sie waren nicht an meinem Aussehen interessiert.“
Julia war viel zu geradeheraus, als dass sie sich zu verstohlenen Blicken oder Getuschel hinter vorgehaltener Hand herabgelassen hätte. Also betrachtete sie Adam ganz offen. Er trug einen Smoking, eine nachlässig gebundene Fliege und einen Kummerbund aus schwarzem Samt. Seine Lackschuhe waren bestimmt geborgt und drückten an den Zehen. Julia ließ ihren Blick über seine geschundenen Beine gleiten. Die meisten Hochzeitsgäste taten es ihr gleich, besonders, als er ihr seinen Arm anbot und mit ihr über das Parkett schritt. Er fragte sich, ob die anderen Leute darauf warteten, da