IM LEBEN VON FAST JEDEM MENSCHEN kommt irgendwann der Moment, in dem er empfindet, was Adam empfunden haben muss, als er zum ersten Mal den Sonnenuntergang beobachtete. Alle Schönheit und Wärme des Lichts verwandeln sich in Nacht. Es geschieht nicht augenblicklich. Es ist nicht, wie wenn man einen Lichtschalter drückt. Zunächst steigt Angst auf, während die Sonne in Richtung Horizont kriecht. Dann folgt Verblüffung, wenn sie verschwindet. Und schließlich bleibt der Schock, wenn die Welt, die wir einst kannten, uns mit Dunkelheit umhüllt.
In dieser Dunkelheit tasten wir nach Dingen, die uns einst vertraut waren. Wir suchen nach Andenken an ein früheres Leben, das in Licht getaucht war. Doch ganz gleich, in welche Richtung wir uns wenden – wir sehen unsere Welt übersät mit Verlusten, die wir nicht einmal ansatzweise akzeptieren und noch weniger verstehen können. Wir sind gelähmt und kauern zwischen den Trümmern des Lebens, das wir einst hatten. Und wir fürchten, dass der Hoffnungsschimmer nie wieder am Horizont auftauchen wird.
Vielleicht waren Sie selbst schon einmal an diesem Punkt. Vielleicht sind Sie in diesem Moment an diesem Punkt, an diesem Ort ohne Licht. Vor zehn Jahren sah ich zu, wie jene Sonne hinter dem Horizont versank. Ich fühlte die beißende Angst, die Verblüffung, den Schock. Dann stürzte ich kopfüber in eine Welt voller Dunkelheit.
Ich werde Ihnen meine Geschichte erzählen. Ich lade Sie in meine Geschichte ein. Aber ich lade Sie außerdem dazu ein, Ihre eigene Geschichte zu erzählen, während Sie meine lesen. Die Geschichten des Verlustes, des Bedauerns, der Sucht, des Schmerzes zu vergleichen. Die Narben zu vergleichen. Wichtiger ist mir jedoch, dass wir unsere Geschichten im Kontext einer größeren Geschichte sehen. Und alles als Teil einer langen Erzählung über endgültige, befreiende Erlösung sehen. Haben Sie Geduld – wir kommen noch dazu. Aber wir können nicht den Blick nach vorne richten, ohne uns vorher die Momente anzuschauen, die uns dorthin gebracht haben, wo wir jetzt sind. Beginnen wir also beim Sonnenuntergang.
ICH WAR DAMIT BESCHÄFTIGT, meine Träume auszuleben, als sie plötzlich alle unwahr wurden. Diese Träume waren Mitte der 1990er-Jahre entstanden. Frisch vom College in Texas kommend hatte ich mich an einem theologischen Seminar in Indiana eingeschrieben, um mich auf den Dienst als Pastor vorzubereiten. Ich war 22 Jahre alt, verheiratet und begierig darauf, für Gott gegen die Welt anzutreten. Meine Frau und ich genossen unsere ersten Ehejahre in einem kleinen Apartment nicht weit vom Campus entfernt.
Es stellte sich heraus, dass das Studentenleben genau mein Ding war. Jeder Tag war für mich ein wahres Fest der Theologie. Ich genoss die lebhaften Diskussionen mit meinen Kommilitonen. Ich strukturierte mein Leben um den Rhythmus der täglichen Gottesdienste auf dem Campus herum. Die intellektuelle Präzision akademischen Arbeitens empfand ich als stimulierend. Es wird einem immer gesagt, man solle seine Leidenschaft finden. Ich hatte meine gefunden.
Je länger ich am theologischen Seminar studierte, desto mehr packte mich eine Ambition: Was, wenn ich vielleicht in die Fußstapfen der prägendsten Menschen in meinem Leben treten könnte? Meine Lehrer prägten mich tiefgreifend. Sie förderten mein Gebetsleben, meinen Respekt vor der Vergangenheit der Kirche und meinen Eifer für die Wahrheit. Selbst Professor zu werden, künftige Pastoren zu prägen, wie man Ton mit den eigenen Händen formt, und dadurch dann auch die Kirche zu prägen, das erschien m