Kapitel 1
»Das ist ein ...«, Bettina von Brunck schaute konzentriert auf ihre sorgfältig manikürten Hände, »sehr inspirierender Streifen.«
»Quatsch!« Carola Färbers Stimme schnitt wie ein Messer durch die Luft des kleinen Filmvorführungsraumes. »Das ist Quatsch!«, wiederholte sie energisch und lehnte sich in den bequemen Sessel zurück. »Das ist ein ganz normaler SM-Film in bester HD-Qualität und mit allen technischen Spielereien, nichts weiter.«
Bettina nippte an ihrem Champagnerglas. »Mir hat er ganz gut gefallen, ich finde nur«, sie gluckste, »der Typ hat zu schnell seine Senge bekommen.«
»Siehst du, das ist es«, ereiferte sich Carola, »das geht immer in dieselbe Richtung: Mann, Frau, und bist du nicht willig, dann hau’ ich dich und mache sonstwas mit dir. Und dem Typ geht einer ab. Da kannst du noch so talentierte Darsteller verpflichten, das ist nicht echt, das wirkt plump. Einfach nur gestellt. Das sind Fakes für Männer, das trifft nicht den Kern, ist einfach zu kalkuliert, da weiß jeder schon, wie es enden wird.«
»Also ich für meinen Teil schaue mir schon gerne an, wie so ein Lümmel ein paar Striemen auf den Rücken kriegt, wenn er sich beim Lecken keine Mühe gibt.« Bettina zupfte sich ein imaginäres Härchen aus dem Dekolleté. »Mir gefällt auch, wenn einer winselnd und gefesselt auf meinem Bett liegt und ich mit ihm machen kann, was ich will.«
»Ach, Betty«, seufzte Carola, »das ist doch die Hausfrauennummer. Eine Stunde im Dominastudio hat mit dem, was ich meine und machen will, nichts zu tun. Ich will Dominanz pur, ich will auch keine Filme für Männer machen, nein, ich will Filme für Frauen machen, bei denen das Thema nicht dort endet, wo sie noch ein paar gesunde Stellen auf dem Rücken irgendeines armen Schweins suchen müssen. Meine Filme sollen zeigen, dass eine Domina wirklich dominiert. Eine Frau in Schlabbershirt und Latzhose kann mehr Dominanz ausüben als eine im Ledermini und Stiefeln bis zum Arsch.«
Bettina lachte kurz auf und entgegnete: »Na, das werden wohl 99% der interessierten Männerwelt anders sehen.« Carola streckte einen Zeigefinger nach oben. »Genau für die will ich ja auch keine Filme machen. Wenn nur 10 Prozent der Frauen, die sich für dieses Thema interessieren, hinter den eigentlichen Sinn des Ganzen kommen oder, was noch besser wäre, sich in ihren Vorstellungen bestätigt fühlen, dann habe ich mein Zielpublikum erreicht. Und kann mir meine eigenen Filme ansehen, ohne mich zu langweilen.«
Bettina hielt sich die Hand vor den Mund und unterdrückte ein leichtes Gähnen. »Das hört sich alles sehr engagiert und nach Kultur an. Dabei bleiben es doch nur Pornos.«
»Meine Liebe, Porno ist nicht gleich Porno, oder willst du unsere Produktionen etwa mit den Schmuddelfilmchen vergleichen, die im Internet zu sehen sind?«, fragte Carola leicht pikiert.
»Natürlich nicht«, Bettina versuchte keine Missverständnisse aufkommen zu lassen. »Steht außer Frage, aber wie sollen deine besonderen Filme denn aussehen, was soll daran so anders sein?«
»Das besprechen wir oben«, Carola war aufgestanden, hatte die Raumbeleuchtung eingeschaltet und ging zum Ausgang. Bettina folge ihr, überlegte kurz, ob sie ihr Glas mitnehmen sollte, stellte es dann aber doch am Ausgang auf einem kleinen Beistelltisch ab.
***
Carola Färber hatte gerade ihren 60. Geburtstag gefeiert. Sie hatte in dritter Generation das Familienunternehmen geleitet, das sich fast ausschließlich mit der Produktion hochwertiger Uhren befasste. Im Laufe der Zeit waren noch ein paar unwesentliche Nebenzweige dazugekommen, doch das waren nur strategische Maßnahmen, um das Hauptgeschäft abzusichern. Carola musste nach dem frühen Tod ihres Mannes die Geschicke der Firma allein in die Hand nehmen, deswegen