: Astrid Freisen
: Wir fliegen hoch, wir fallen tief Eine Psychiaterin spricht offen über ihre Bipolare Störung und zeigt, wie wir mit der Krankheit umgehen können
: Eden Books - ein Verlag der Edel Verlagsgruppe
: 9783959104029
: 1
: CHF 13.90
:
: Angewandte Psychologie
: German
: 240
: kein Kopierschutz
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Bereits als Kind leidet Astrid Freisen unter Stimmungswechseln und Suizidgedanken. Dennoch schließt sie Schule und Studium erfolgreich ab und wird Psychiaterin. Doch plötzlich gerät ihr Leben ins Wanken und ihr Zustand verschlimmert sich. Sie wird immer unruhiger, redet ununterbrochen und gerät schließlich in eine unkontrollierbare Manie. Unter dem Einfluss extremer Risikofreude nimmt Astrid Freisen Drogen, rast mit dem Auto über die Autobahn, betrügt ihren Mann und schläft kaum noch. Als sie realisiert, dass sie dabei ist, die Kontrolle über ihr Leben zu verlieren, geht sie freiwillig in eine psychiatrische Klinik - als Patientin. Die Diagnose: Bipolare Störung. In ihrem Buch schreibt die Ärztin darüber, wie es ihr gelungen ist, sich Hilfe zu holen und eine Balance zwischen den manischen und depressiven Phasen zu finden. Heute arbeitet sie wieder als Psychiaterin und kann durch ihre Erfahrungen und Expertise auf eine ganz besondere Art auf ihre Patient*innen eingehen. Sie erzählt im Buch ihre persönliche Geschichte als Betroffene und erklärt als Expertin, was hinter der Krankheit steckt. 

Dr. med. Astrid Freisen ist Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie. Sie war mehr als 15 Jahre lang in Deutschland ärztlich tätig und setzt sich leidenschaftlich für die Aufklärung über psychiatrische Erkrankungen sowie die Entstigmatisierung von ihnen Betroffener ein - auch weil sie aus eigener Erfahrung weiß, was es bedeutet, psychisch erkrankt zu sein. Sie engagiert sich insbesondere für Menschen, die wie sie im Gesundheitswesen tätig und selbst bipolar erfahren sind. Seit April 2021 lebt und arbeitet Dr. Freisen als Psychiaterin auf Island.

Überleben


Pearl Jam: Alive

1998 zog ich aus meinem Elternhaus aus, um mein Medizinstudium in Freiburg zu beginnen.

Ich machte mein Abitur mit einem Schnitt von 1,1. Ich war natürlich nicht zufrieden. Nur ein Rohpunkt hatte mir zu 1,0 gefehlt. Außerdem gab es einen Mitschüler, der das geschafft hatte, der also besser war als ich. Der Perfektionismus hatte mich schon damals, im Alter von 19 Jahren, fest im Griff. Ich war extrem ehrgeizig, und dass ich mit dem Abiturpreis meines Gymnasiums ausgezeichnet und kurze Zeit später in die Studienstiftung des Deutschen Volkes, eine Hochbegabtenförderung, aufgenommen wurde, tröstete mich nur bedingt.

Die Zeit nach dem Abi habe ich als eine der freiesten in meinem Leben in Erinnerung. Ich testete viel aus, feierte ausgelassen und genoss es, tun und lassen zu können, was ich wollte. Ob ich damals schon bipolare Phasen hatte? Das ist im Rückblick tatsächlich schwer zu beurteilen. Ich habe aber schon Erinnerungen an Ereignisse, in denen ich sehr wild und auch ein bisschen verrückt war, oder an Tage, an denen ich mich am liebsten ins Bett verkrochen hätte. Stimmungsschwankungen kannte ich also durchaus.

Was ich aber im Frühjahr 2004 erlebte, war anders. Ich war mit meinem Medizinstudium so weit fertig, fast alle Klausuren waren erfolgreich geschrieben, und es fehlten nur noch das Praktische Jahr und im Anschluss das dritte Staatsexamen, um alles abzuschließen. Bevor ich aber mit meinem Tertial in Innerer Medizin in Adelaide in Australien starten wollte (ich hatte dafür ein begehrtes Stipendium meiner Universität erhalten), hatte ich mir noch die Erledigung meiner Doktorarbeit vorgenommen. Mein ursprüngliches Projekt im Bereich Medizingeschichte, nämlich die Entwicklung der Aidshilfe in Deutschland darzustellen, hatte sich als nicht realisierbar erwiesen. Zu umfangreich, zu komplex, und letztlich war es für mich mit meinem Medizinstudium auch zu schwierig, die Anforderungen einer geisteswissenschaftlichen Arbeit zu erfüllen. Ich brauchte nun also etwas, das schnell abzuhandeln war und mich trotzdem interessierte.

Über eine Freundin landete ich bei einem Projekt in der Psychiatrie. Es ging darum, eine App für bipolare Menschen zu entwickeln, mit dem Ziel, die Regelmäßigkeit ihres Tagesablaufs zu optimieren. Dies sollte sich regulierend auf ihre biologische innere Uhr auswirken und so zur einer Reduktion von Krankheitsphasen führen. Das Thema interessierte mich sehr. Von Computern hatte ich allerdings überhaupt keine Ahnung. Die App wurde auf einem Handspring Treo installiert, so einer Art erstem Smartphone. Die Probanden sollten ihre Daten täglich eingeben, ich wertete sie dann einmal pro Woche aus. Ziel war es, einen ersten Prototyp der App zu testen und zu optimieren. Die technische Durchführung lief über eine Computerfirma, deren Miteigentümer mein Betreuer war.

Jedem, der sich nur einigermaßen mit solchen Dingen beschäftigte, wäre vermutlich sofort klar gewesen, dass es bei einem solchen Projekt dazugehört, dass Dinge nicht funktionieren. Für mich war dieser Punkt aber sehr schwierig. Schließlich wollte ich mit meinem Ehrgeiz immer alles perfekt haben. Hinzu kam, dass ich auf einmal keinen geregelten Tagesablauf mehr hatte und durch den Wegfall der Vorlesungen und Seminare auch viel weniger Kontakte. Alles wurde plötzlich unglaublich schwer, ich verbrachte mehr und mehr Zeit im Bett und drückte ständig die Snooze-Taste des Weckers. Erst als es gar nicht mehr zu verhindern war, verließ ich das Bett, wobei ich mich schon nach dem kurzen Weg ins Badezimmer erschöpft und erschlagen fühlte. Dabei hatte ich mir für den Vormittag meist viel vorgenommen: Studien für die Doktorarbeit lesen, aufräumen, das Chaos in der Küche beseitigen.

Aber ich schaffte es nur noch, das Allerwichtigste zu erledigen, was bei mir natürli