: Rudolf Carnap
: Christian Damböck
: Überwindung der Metaphysik durch logische Analyse der Sprache [Great Papers Philosophie] - Carnap, Rudolf - philosophische Texte; Analyse und Einordnung - 14299
: Reclam Verlag
: 9783159620336
: Reclams Universal-Bibliothek
: 1
: CHF 4.80
:
: 20. und 21. Jahrhundert
: German
: 101
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Frontalangriff auf die Metaphysik und Kerntext des Wiener Kreises: Metaphysische Sätze wie »Gott existiert« sind für Carnap nichts als Scheinsätze, die nur so tun, als würden sie nachvollziehbare Aussagen sein. Sie verwenden entweder Begriffe, die eigentlich keinen realen Bezug haben, oder vermengen Begriffe, die eigentlich nichts miteinander zu tun haben. Ihren Höhepunkt findet Carnaps Kritik in der Auseinandersetzung mit dem inzwischen legendär gewordenen Heidegger-Zitat »Das Nichts selbst nichtet«: Nur die klare und eindeutige Logik kann in solchen Fällen weiterhelfen. Der Band zeichnet die Argumentationslinie des Textes nach und gibt Einblicke in dessen Nachwirkung und die Rolle des Wiener Kreises. Die Reihe »Great Papers Philosophie« bietet bahnbrechende Aufsätze der Philosophie: - eine zeichengenaue, zitierfähige Wiedergabe des Textes - eine philosophiegeschichtliche Einordnung: Wie dachte man früher über das Problem? Welche Veränderung bewirkte der Aufsatz? Wie denkt man heute darüber? - eine Analyse des Textes bzw. eine Rekonstruktion seiner Argumentationsstruktur, gefolgt von einem Abschnitt über den Autor sowie ein kommentiertes Literaturverzeichnis. E-Book mit Seitenzählung der Originalpaginierung.

Rudolf Carnap (1891-1970) war Philosoph, logischer Empirist, einflussreicher und wichtigster Vertreter des sogenannten »Wiener Kreises«. Christian Damböck , geb. 1968, ist Privatdozent für Philosophie an der Universität Wien und Direktor des Forschungsprojektes »Carnap in Context II: (Dis)continuities«.

[24]5. Metaphysische Scheinsätze


Wir wollen nun einige Beispiele metaphysischer Scheinsätze aufzeigen, an denen sich besonders deutlich erkennen läßt, daß die logische Syntax verletzt ist, obwohl die historisch-grammatische Syntax erfüllt ist. Wir wählen einige Sätze aus derjenigen metaphysischen Lehre, die gegenwärtig in Deutschland den stärksten Einfluß ausübt2.

»Erforscht werden soll das Seiende nur und sonst –nichts; das Seiende allein und weiter –nichts; das Seiende einzig und darüber hinaus –nichts.Wie steht es um dieses Nichts? – –Gibt es das Nichts nur, weil es das Nicht, d. h. die Verneinung gibt? Oder liegt es umgekehrt? Gibt es die Verneinung und das Nicht nur, weil es das Nichts gibt? – – Wir behaupten:Das Nichts ist ursprünglicher als das Nicht und die Verneinung. – – Wo suchen wir das Nichts? Wie finden wir das Nichts? – – Wir kennen das Nichts. – –Die Angst offenbart das Nichts. – – Wovor und warum wir uns ängsteten, war ›eigentlich‹ – nichts. In der Tat: das Nichts selbst – als solches – war da. – –Wie steht es um das Nichts? – –Das Nichts selbst nichtet

Um zu zeigen, daß die Möglichkeit der Bildung von Scheinsätzen auf einem logischen Mangel der Sprache beruht, stellen wir das untenstehende Schema auf. Die Sätze unterI sind sowohl grammatisch wie logisch einwandfrei,[25]also sinnvoll. Die Sätze unterII (mit Ausnahme vonB 3) stehen grammatisch in vollkommener Analogie zu denen unterI. Die SatzformII A (als Frage und Antwort) entspricht zwar nicht den Forderungen, die an eine logisch korrekte Sprache zu stellen sind. Sie ist aber trotzdem sinnvoll, da sie sich in korrekte Sprache übersetzen läßt; das zeigt der SatzIII A, der denselben Sinn wieII A hat. Die Unzweckmäßigkeit der SatzformII A zeigt sich dann darin, daß wir von ihr aus durch grammatisch einwandfreie Operationen zu den sinnlosen SatzformenII B gelangen können, die dem obigen Zitat entnommen sind. Diese Formen lassen sich in der korrekten Sprache der Kolonne III überhaupt nicht bilden. Trotzdem wird ihre Sinnlosigkeit nicht auf den ersten Blick bemerkt, da man sich leicht durch die Analogie zu den sinn-[230]vollen SätzenI B täuschen läßt. Der hier festgestellte Fehler unserer Sprache liegt also darin, daß sie, im Gegensatz zu einer logisch korrekten Sprache, grammatische Formgleichheit zwischen sinnvollen und sinnlosen Wortreihen zuläßt. Jedem Wortsatz ist eine entsprechende Formel in der Schreibweise der Logistik beigefügt; diese Formeln lassen die unzweckmäßige Analogie zwischenI A undII A und die darauf beruhende Entstehung der sinnlosen BildungenII B besonders deutlich erkennen.

Bei genauerer Betrachtung der Scheinsätze unterII B zeigen sich noch gewisse Unterschiede. Die Bildung