Geleitwort
Dieses Buch hätten die Autoren auch Lehrbuch einer traumaorientierten systemischen Familientherapie nennen können. Denn sie schildern und veranschaulichen ein Arbeiten mit traumatisierten Personen im Kontext ihrer relevanten Bezugspersonen, in unserer Kultur zumeist Familienangehörige, das die Beziehungen des Traumatisierten innerhalb seines wichtigsten Bezugsfeldes in den Blickpunkt rückt und zu beeinflussen sucht, sei es mit dem Ziel der Unterstützung bei der Bewältigung der traumatischen Erfahrungen, sei es mit dem Ziel der Vermeidung sekundärer Traumatisierungen auf Seiten der Angehörigen, immer in der Absicht, eine ungestörte familiale Entwicklung wieder zu ermöglichen. Dabei konzentriert sich Alexander Korittko vorwiegend auf die Auswirkungen von Traumata, die von außen auf Familien eingewirkt haben, während Karl Heinz Pleyer komplexe Traumafolgestörungen innerhalb von Eltern-Kind-Beziehungen behandelt.
Psychische Traumata sind auf den ersten Blick höchst individuelle Folgen »eines kurz oder lang anhaltenden Ereignisses von außergewöhnlicher Bedrohung mit katastrophalem Ausmaß, das bei nahezu jedem eine tiefgreifende Verzweiflung auslösen würde« (ICD-10). Insofern ist der Gedanke naheliegend, Traumaarbeit erfordere einen individuumzentrierten, auf die psychischen Strukturen des Betroffenen ausgerichteten Blick, während eine systemische, auf die Beziehungen in einem größeren Kontext, zum Beispiel der Familie, orientierte Sicht demgegenüber dem Problem wenig angemessen erscheint.
Doch gleich im Vorwort verweisen die Autoren auf die Kurzschlüssigkeit eines solchen Denkens. Traumatisierende Erfahrungen sind nämlich keine Ereignisse, die ihre Wirkungen in direkter Abhängigkeit von Ausmaß und Schwere des Traumas entfalten. Vielmehr werden dessen Folgen durch die Bewältigungsmechanismen des Einzelnen in sehr unterschiedlicher Weise beeinflusst und modifiziert. Und diese Traumabewältigung »vollzieht sich bei Betroffenen in Kommunikation mit sich selbst und mit anderen. Ihr Erfolg ist von erlebten Beziehungen und den Reaktionen der anderen abhängig« (S. 17, Vorwort der Autoren).
Die Traumabewältigung des Einzelnen wird dabei nicht nur in rekursiven zirkulären Interaktionsprozessen mit den aktuellen Bezugspersonen beeinflusst, sondern die Bezugspersonen sind in ihrer Reaktion umgekehrt auch von der Art und Weise der Traumabewältigung des Einzelnen abhängig. Zudem ist in nicht seltenen Fällen auch eine generationenübergreifende Perspektive erforderlich, um zu erkennen, wie traumatische Erlebnisse von einer Generation auf die nächste weitergegeben werden können und damit auch die mit ihr verbundenen emotionalen Probleme.
Die Genesung des Traumatisierten in den vier bis sechs Wochen nach dem traumatisierenden Ereignis, in der ersten Schockphase also, hängt bereits entscheidend davon ab, wie sich die wichtigsten Bezugspersonen dem Traumatisierten gegenüber verhalten. Ihr Unterstützungsprozess fordert jedoch gegebenenfalls einen hohen Preis dadurch, dass sie ebenfalls den Schmerz und die Verzweiflung spüren und in einen Zustand von Erschöpfung geraten. Diejenigen, die sich um die Opfer kümmern, können dann selbst zum Opfer werden, wenn nicht auch sie angemessene Unterstützung erhalten.
Alexander Korittko zeigt im ersten Teil des Buches in eindrucksvoller Weise auf, wie gut sich Traumatherapie und systemische Therapie miteinander verbinden lassen und wie notwendig diese Verbindung ist für den, der die traumatisierten Menschen und seine Angehörigen angemessen unterstützen will. Dabei vermittelt er den erfahrenen Traumatherapeutinnen wichtige systemische Einstellungen, Haltungen und Methoden, während er den systemischen Therapeutinnen eine Fülle von Anregungen und Konzepten aus seinem Erfahrungsschatz als bereits über Jahrzehnte tätiger Traumatherapeut vorstellt.
Korittko beschränkt sich dabei weitgehend auf die Auswirkungen von Traumata, die von außen auf Familien eingewirkt haben, und behandelt systemische Vorgehensweisen, die dem Ziel dienen, in solchen Fällen posttraumatischen Stress zu bewältigen. Das i