Heinz Walter Krohne
Angst, Furcht und Stress
Angst, Furcht und Stress gehören zu den fundamentalen Themen menschlicher Existenz. Insbesondere zur Angst haben sich Dichter und Philosophen über die Jahrhunderte geäußert. Hiernach wird das menschliche Leben in zahlreichen seiner Äußerungen als zumindest von Angst begleitet gesehen. Angst soll tief in das Leben eingreifen, den Einzelnen entweder aktivieren und zu besonderen Leistungen anspornen oder ihn hemmen, lähmen, ja zerstören. Nur wer sich ihr stellt und lernt, Angst zu meistern, entwickelt sich weiter; wer einer Auseinandersetzung mit ihr ausweicht, wird gehemmt und stagniert in seiner Entwicklung (u. a. Kierkegaard, 1844/1991; May, 1950).
Angesichts der Allgemeinheit und offensichtlichen Bedeutsamkeit dieser Erfahrungen überrascht es umso mehr, dass sich die empirische psychologische Forschung erst in den letzten Jahrzehnten eingehender mit diesem Thema befasst hat. Trotz der Pionierleistungen, die Freud (1895/1971c, 1926/1971a) im Bereich der Psychopathologie, James (1890) in der Emotions- und Cannon (1915) in der Stressforschung erbracht hatten, wird Forschung in diesem Bereich systematisch und in größerem Umfang eigentlich erst, und das ist sicherlich kein Zufall, seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs betrieben (u. a. Grinker u. Spiegel, 1945; Hoch u. Zubin, 1950). Zu Recht kann man deshalb das bekannte Ebbinghaus-Zitat paraphrasieren: »Angstforschung hat eine lange Vergangenheit, aber nur eine kurze Geschichte« (Lazarus u. Averill, 1972, S. 245).
Gewissermaßen wie zum Ausgleich kann man dafür in diesem Feld eine inzwischen fast unübersehbare Fülle empirischer Untersuchungen registrieren. Dabei findet sich auch hier das für viele Themen der Psychologie typische Auf und Ab hinsichtlich der Beachtung in wissenschaftlichen Veröffentlichungen (zur Geschichte der entsprechenden Forschung vgl. u. a. Bourke, 2006). Nach dem Initialimpuls in der Mitte des 20. Jahrhunderts durch die Neobehavioristen (u. a. Dollard u. Miller, 1950) und die frühen kognitionspsychologisch orientierten Forscher (Epstein, 1967), der in der folgenden Dekade ganz wesentlich von Richard Lazarus betriebenen Etablierung des Gebiets im Rahmen eines umfassenden psychologischen Stressmodells (u. a. Lazarus, 1966) und seiner anschließenden systematischen Ausweitung, Differenzierung und insbesondere psychometrischen Bearbeitung (u. a. Appley u. Trumbull, 1967; Spielberger, 1972) war in den 1990er Jahren ein gewisses Nachlassen der Forschungsbemühungen zu registrieren, wenn auch weniger in der Quantität, so doch in der Originalität der Ansätze. Das Interesse an der allgemeinen Emotionsforschung nahm zwar deutlich zu (Frijda, 1986), das am speziellen Thema Angst aber eher ab. Hier scheint sich in jüngster Zeit nun eine gewisse Wende anzubahnen. Mit dem raschen Fortschritt der biopsychologischen Forschung, dem Aufkommen der Gesundheitspsychologie sowie der Entwicklung neuerer Modelle zur Verarbeitung emotionsbezogener Information ist auch das Interesse an Fragen aus den Bereichen Angst, Furcht und Stress wiedererwacht (u. a.