ZWEI
Well I’ll do anything in this godalmighty world
If you just let me follow you down.
Bob Dylan,»Baby, Let Me Follow You Down«
Der Bus ist ein riesiges, schwerfälliges Ungetüm voller Traurigkeit und abgestandener Luft. In jeder Stadt kackt es uns für zwanzig Minuten aus, oder für zwei Stunden oder drei, egal, der Ablauf ist immer derselbe: ein Imbiss irgendwo, ein Minimarkt, zugemüllte Toiletten, zugemüllte Gassen. Ich verstecke das Geld von Vinnie tief in den Taschen und gebe es nur für Schokoriegel und Mineralwasser und Chips aus und einmal auch für einen Eiersalat, dessen Mindesthaltbarkeitsdatum mit schwarzem Stift ausgestrichen wurde. Der Schokoladengeschmack auf der Zunge ist wie eine Explosion der Glückseligkeit.
Ich rede nicht mit den Leuten, die neben mir sitzen. Sie driften herein, riechen nach Rauch oder Schmutz, und dann driften sie beim nächsten Halt wieder nach draußen. In Kansas bleibt der Bus mitten in der Nacht plötzlich liegen, in einer Stadt, in der jetzt, Mitte Mai, immer noch Weihnachten ist: In verdunkelten Ladenfenstern hängen ausgeblichene Kränze, in der Auslage einer Tankstelle blinkt eine grelle Lichterkette. Die Frau neben mir versenkt ihr Kinn in den buschigen Kragen ihres falschen Pelzmantels und murmeltGott mit uns, während wir aus dem Bus torkeln und dann auf dem Parkplatz eines mit Brettern zugenagelten Diners herumstehen. Die Männer, die im Bus hinten gesessen haben, verlagern ihr Hütchenspiel einfach nach draußen in eine Nebenstraße, während der Fahrer hin und her tigert und auf Hilfe wartet. Ich setze mich abseits von allen anderen auf den Bordstein. Die Kapitänsjacke ist mir immer noch zu warm. Auf meinem Ticket steht, dass wir sechs Bundesstaaten durchfahren werden, um nach Arizona zu gelangen, und dass das einen Tag, dreiundzwanzig Stunden und fünfundvierzig Minuten dauern wird. Der Fahrer sagt, er hat keine Ahnung, wann ein Ersatzbus kommen wird.
Ich weine in fremden Toilettenkabinen, warme Tränen sickern unter den Kragen meiner Jacke, und ich starre das Geld an, das Ellis und ich verdient haben. Endlich komme ich weg von hier, vielleicht sogar an einen Ort, wo es besser ist, aber sie ist nicht bei mir, und das tut weh.Alles tut wieder weh, ein scharfer, beängstigender Schmerz auf meiner vernarbten Haut. Ich versuche einfach, immer weiter an Mikey zu denken, daran, wie schön es sein wird, bei ihm zu sein, und vielleicht können wir diesmal sogar mehr als nur Freunde werden.
Als wir endlich ankommen, ist es mitten in der Nacht. Der plötzlicheTuuuuusooooon!-Jubelschrei des Fahrers dröhnt durch den Bus und reißt etliche Fahrgäste aus dem Schlaf. Ich reihe mich zwischen die schlaftrunkenen Leute ein, die aus dem Bus in die warme, trübe Arizona-Luft hinauswanken.
Etliche Fahrgäste werden von Leuten empfangen, die auf sie gewartet haben, ich sehe zu, wie sie sich umarmen und küssen. Auf mich wartet niemand, also hole ich Mikeys Umschlag heraus, um mich nicht ganz so einsam zu fühlen.
Ich habe den Brief im Bus immer und immer wieder gelesen, nur um mich dran zu erinnern, dass das hier wirklich passiert, dass ich wirklich wegkomme.
Charlie! Alles wird gut, das verspreche ich dir. Tut mir leid, dass ich erst mal nicht da sein kann und du allei