Fährt der Besucher von San Marco mit dem ›Vaporetto‹ kanalaufwärts und steigt an der Ponte di Rialto aus, gelangt er, wenn er die Brücke überquert hat, fast zwangsläufig zum Gemüse- und Fischmarkt. Auf der Erberia locken die kunstvoll arrangierten Tische der Händler. Artischocken, Fenchel, Bohnen, Zucchini, Tomaten, alle Sorten, alle Arten, zu beeindruckenden Stillleben arrangiert. Ähnlich die Fische der Pesceria etwas weiter oben, die den Besucher von ihrem Eisbett aus anstarren, nur um – trotz Eis – die Luft mit ihrem intensiven Meeresduft zu durchziehen. Ein Streifzug durch die engen Gassen von San Polo, man schlürft hier einen Cappuccino, isst dort ein Tramezzino, auf dem Campo della Corderia kaufen auch die Einheimischen ein wenig Parmesan und in der Calle de Botteri besucht der Gast den Stoffhändler Bottinelli, wo er sich in einem Gästebuch verewigt, nur um dann alle Jahre zum Geburtstag eine Glückwunschkarte zu erhalten, auch wenn er nichts gekauft hat und auch nie wiedergekommen ist.
Und dann die Kirchen: Santa Maria Gloriosa dei Frari, S. Maria Formosa, San Cassiano, San Giacomo oder S. Aponal mit den alten Meistern – Bellini, Vivarini, Tizian nach Herzenslust. Nicht weit ist es von hier zur Scuola Grande di San Rocco, wo die Bruderschaft des Hl. Rochus zu Hause ist und Jacopo Tintoretto ganze Wände und Decken mit Gemälden in seiner ›maniera‹ gefüllt hat, die von einer Wucht und Kraft zeugen, die ihresgleichen suchen. Ein einzigartiges Gemisch von Kunst, Religion, Handel und Kommerz. Gegenüber San Giacomo, etwas abseits, begegnet dem Besucher eine kleine, recht unscheinbare Granitstatue: ein kniender Buckliger, der auf seinen Schultern und dem nach vorne gebeugten Kopf die Last einer Gesetzesrolle trägt. Der missgebildete Bucklige heißt Gobbo, mit dem Zusatz der Umgebung vollständig Gobbo di Rialto. Die Statue aus der Werkstatt des Pietro da Salò wurde am 16.11.1541 eingeweiht, sie hatte die Bestimmung einer Kanzel, von der der Doge seine Gesetze verkünden ließ. Eine ähnliche Kanzel stand auf der Piazza San Marco, die Pietra del Bando.