EINLEITUNG
»Was hätte dir geholfen?«
Eine Frage, die mir oft gestellt wird, seit ich mich als psychisch krank geoutet habe. Eine Frage, die ich mir natürlich auch öfter selbst gestellt habe. Was hätte der 17-, 21-, 27-jährigen Version von mir geholfen, sich früher Hilfe zu suchen? Es nicht so lange allein zu versuchen? Nicht so lange ein Parallelleben zu führen?
Und inzwischen kenne ich die Antwort: Mir hätte es geholfen, wenn ich früher gewusst hätte, dass ich krank bin. Dass ich nicht nur einfach komisch, schwach, unfähig, dumm, anders bin, es im Gegensatz zu allen anderen nicht auf die Reihe bekomme. Dass es für so viele meiner Probleme eine Erklärung gibt, eine Diagnose, dass es anderen Menschen geht wie mir, dass ich nicht allein bin und vor allem: dass es eine Behandlung gibt. Dass es besser werden kann.
Das ist ein Grund, warum ich heute so offen über meine Erfahrungen spreche. Nicht weil meine Geschichte besonders schlimm oder außergewöhnlich ist. Sondern weil sie eigentlich gar nicht so außergewöhnlich ist. Weil viele Menschen, ob jung oder alt, viel zu lange, viel zu allein mit ihren Problemen sind. Weil sie im Zweifelsfall nicht wissen, dass sie krank sind.
Bei mir gingen »die Probleme« so um das Jahr 2002 herum los, als ich 15 oder 16 war. Mittlerweile weiß ich, dass es weder die Pubertät noch mein eigenes Unvermögen waren, die mein Leben, sagen wir mal,spannender machten, sondern eine Borderline-Persönlichkeitsstörung. Weil ich meine Diagnose aber erst 2013 erhielt, bedeutete dies, dass ich die zehn Jahre davor versucht hatte, selbst irgendwie damit klarzukommen.