: Jens Johler
: Die Begegnung
: Books on Demand
: 9783756289981
: 1
: CHF 5.20
:
: Gegenwartsliteratur (ab 1945)
: German
: 192
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
"Ich erinnere mich noch genau an die Worte unseres Direktors an dem Abend, als wir mit ihm zusammen in der Kulisse saßen, dem Theaterlokal an der Maximilianstraße. Er sagte, das Wichtigste im Leben eines Künstlers sei die Begegnung. Er zog, als er das sagte, die Augenbrauen bedeutungsvoll nach oben und ließ den Mund halb geöffnet stehen, wie es seine Art war. Dann schloss er ihn wieder und wiederholte noch einmal mit seiner hohen Stimme und demselben bedeutungsvollen Ausdruck: Die Begegnung! Ich dachte damals unwillkürlich an Johannes. Tatsächlich gab es - und gibt es bis heute - keine Begegnung, die mich so tief beeinflusst hat wie die mit ihm." Während der Fahrt zur Beerdigung des genialen Schauspielers Johannes Ronneburger liest der Schriftsteller Benjamin Bahner das Manuskript noch einmal durch, das er vor dreißig Jahren über diese Begegnung geschrieben hat - und er muss sich verwundert eingestehen, dass er noch immer nicht weiß, ob er dem Freund für den Eingriff in sein Leben dankbar sein oder ihn dafür verfluchen soll.

Jens Johler schrieb Theaterstücke, Erzählungen, Politthriller (Kritik der mörderischen Vernunft) und als Co-Autor die Biographie der Band Ton Steine Scherben. Sein Bach-Roman"Die Stimmung der Welt" wurde ins Englische und Ungarische übersetzt. Zuletzt erschien sein Erzählungsband"Beim Verleger - Geschichten aus dem Literaturbetrieb".

Der bornierte Koloss

So sehr ich jetzt von ganzem Herzen Jazzmusiker war oder werden wollte, so sehr faszinierte es mich doch immer wieder, wenn Johannes die Klasse mit seinen komödiantischen Einlagen zum Lachen und zum Staunen brachte. Ich hätte ihm ewig zuschauen können. Kai stahl sich immer davon, wenn Johannes seine Show abzog, er hatte ein tiefes Misstrauen und einen ausgeprägten Widerwillen gegen diesenBlender, wie er ihn nannte. Aber ich ließ mich gerne blenden. Ich meine, man konnte sagen, der Ronneburger ist ein Blender, und sich von ihm abwenden, weil man mit so einem nichts zu tun haben wollte, aber man konnte eben auch über dieses Talent staunen, mit dem es Johannes gelang, uns mit immer neuen Verwandlungen zu überraschen. Mich jedenfalls machte es neugierig. Wie macht der das, fragte ich mich immer wieder, wie macht der das?

Johannes und Dr. Ahrndt, unser Deutschlehrer, standen seit einiger Zeit fast in jeder großen Pause beisammen und redeten mal ruhig und flüsternd, mal etwas aufgeregter, manchmal sogar wie im Streit, aufeinander ein. Dabei hielten sie ein Büchlein in der Hand und zeigten mit den Fingern darauf oder nahmen es als Unterlage, um ein Wort oder ein