Jessica sah ihren frisch angetrauten Ehemann Thomas verwirrt an, während sie aus dem Leihwagen ausstieg. Sie sah sich um, hinter ihr war ein Acker, auf dem die ersten zarten, hellgrünen Keime sprießten, vor ihr schlängelte sich ein schmaler Fußweg, der in einem dunklen Wald auslief. Thomas hielt ihr auffordernd seinen Arm hin. »Komm, wir sind spät dran, da unten in der Rheinau wartet man bereits auf uns.«
»Glaubst du wirklich, dass ich in dieser Aufmachung in den Wald gehe?«
»Du hast recht, wir sind noch nicht umgezogen, wir müssen uns beeilen.«
Jessica schüttelte den Kopf so heftig, dass ihr schulterlanges, strohblondes Haar wie ein Glorienschein im Licht der Frühlingssonne aufleuchtete. »Du erlaubst dir einen üblen Scherz mit mir! Was willst du wirklich mit mir am Rhein machen? Erotisches Wildcamping, Nacktbaden, Schwarzfischen, oder mich einfach nur ins Wasser schupsen? Eines sage ich dir, ganz egal, was dir vorschwebt – für ein Bad ist es mir zu kalt!«
Er legte ihr liebevoll eine Jacke über die Schultern. »Nein, es ist mein voller Ernst, wir verbringen heute einen ganzen Tag zum Goldwaschen am Rhein.«
»Verarsch doch jemanden anderen! Mir ist jetzt schon eiskalt, außerdem habe ich keine Lust auf ein Bad in den reißenden Fluten des Rheins.« Sie stapfte wütend zurück zu ihrem Leihwagen. »Das ist die schlechteste Geschichte, die du dir bisher einfallen lassen hast, um mich reinzulegen. Goldwaschen in Deutschland – im Leben nicht! Wir sind hier nicht in Alaska oder Kanada. Ich glaube, das Thema unserer Hochzeit, ›Finde den Schatz in deinem Leben‹ ist dir zu Kopf gestiegen.«
Thomas sah sie sanft lächelnd an. »Komm einfach mit, dann wirst du sehen, dass ich dich nicht auf den Arm nehme.«
Sie zuckte ergeben mit den Schultern und sah sich um. Es war ein außergewöhnlich warmer Frühlingstag, das ideale Wetter für eine Wanderung durch die schönen Flussauen des Rheins. Was auch immer Sie erwartete, der Weg dorthin führte sie durch den Wald, vorbei an frischem Bärlauch, jungen Brennnesseln und dem zarten Grün des ersten Löwenzahns.
»Na gut, aber wehe dir, du schmeißt mich ins Wasser, dann kannst du was erleben!«
Er griff sich die dunkle Sporttasche aus dem Kofferraum und marschierte los. Sie folgte Thomas, bis Sie am schmatzenden Geräusch ihrer Stöckelschuhe erkannte, das ihr Schuhwerk nicht für den matschigen Pfad geeignet war. »Warte Schatz, ich muss mir Sneakers anziehen, meine Absätze versinken im Schlamm.« Jessica drehte sich um und rannte in die offenen Arme ihres Trauzeugen Roland, der gerade aus seinem Mietwagen ausgestiegen war und nun hinter ihr stand.
»Immer langsam mit den jungen Pferden! Wohin so eilig, meine kleine Zauberfee?«
Ein Strahlen huschte über ihr Gesicht, ließ ihre zarten, blassrosa Lippen zu einem Lächeln werden, das sich bis in ihre hellblauen Augen ausbreitete.
»Hallo Du, auch schon auf den Beinen? Du bist spät dran heute. Ich will …«
»Deinen Angetrauten nicht zu lange warten lassen. Mach schnell, sonst sind die besten Plätze weg. Du willst doch zumindest den Preis für den Schürftag wieder reinholen, oder?«
»Du steckst also mit ihm unter einer Decke! Was habe ich auch anderes erwartet. Sag schon, was habt ihr zwei verrückten mit mir vor?«
»Sag bloß, du vertraust deinem Mann nicht?«
»Roland, mein Prinzregent, wir kennen uns, seit wir zusammen im Sandkasten saßen und Sandkuchen gegessen haben. Sag mir, was ihr vorhabt, oder ich schreie.«
Roland lächelte Sie an. »Hab doch ein wenig Vertrauen, liebe Jessica.«
Sie boxte ihm auf den Arm. »Du kennst mich, ich mach keine leeren Drohungen. Auf jeden Fall muss ich mir andere Klamotten anziehen, im Frühlingskleidchen und mit Absätzen kann ich schlecht durch den Wald marschieren.«
»Du musst dich nicht umzuziehen, alles, was du brauchst, wird dir zur Verfügung gestellt. Aber mit den Schuhen könntest du recht haben, doch dafür ist es nun zu spät.«
»Aber die sind danach hin!«
»Das sind sie jetzt schon! Du kaufst dir später Neue, das ist doch nicht so schlimm. Beile dich, Thomas ist schon fast da!«
Sie drehte sich um, Thomas war bereits im hellen Grün des Frühlings verschwunden. So war er, ihr geliebter Mann. Immer hektisch, immer der Erste sein