Wer mich bislang noch nicht kannte (es soll ja die einen oder anderen geben), der lernt mich jetzt kennen. Ich merke, das hört sich nach einer Drohung an, soll es aber nicht, ganz im Gegenteil. Denn nicht jeder von euch hat mein erstes Buch gelesen, das die Geschichte des Elbschlosskellers und seiner Gäste erzählte, ebenso wie meine eigene und die meiner Familie. Seitdem aber ist richtig viel passiert in meinem Leben. Wenn es etwas nie gab, dann Langeweile. Wer mich nur ein bisschen kennt, der weiß: Stillstand ist nicht so mein Ding.
Erinnert ihr euch? Die berühmte „8“ meines Lebens, von der ich in meinem ersten Buch berichtete? Diese „8“ steht für das Auf und Ab in meinem Leben. Erst geht es rasant nach oben, dann abrupt nach unten, und alles wieder zurück auf Anfang. Der größten Euphorie folgt jedes Mal ein richtig schlimmer Absturz. So war es mein ganzes Leben lang, so warich immer. Und egal was ich tat, aus diesem Kreis kam ich seit meiner Jugend einfach nicht heraus. Immer musste alles extrem sein, nie gab es eine längere Phase an Stabilität und Verlässlichkeit. Vor drei Jahren aber hatte ich kurzzeitig das Gefühl, so, jetzt hab ich’s geschafft, das passiert mir nie wieder. Leider war das ein Trugschluss. Denn es kam dann alles noch schlimmer, als ich es jemals zuvor erlebt hatte. Zu akzeptieren, dass diese „8“ einfach in mir begründet liegt, war ein langer und schmerzlicher Prozess, der mich zweimal in Entgiftungskliniken brachte und mich beschließen ließ, Deutschland für neunzig Tage zu verlassen, einfach nur um wieder ich selbst zu werden. Und dann, nachdem ich wieder zurück war, verlor ich einen der wichtigsten Menschen in meinem Leben.
Aber langsam, eins nach dem anderen, ich wollte euch erzählen, wer ich eigentlich bin.
Ich heiße Daniel Schmidt, Jahrgang 84, mit Leib und Seele Wirt, aber noch lieber ist mir die Vaterrolle. Meine Lebenspartnerin Susanna und ich sind Eltern eines zehnjährigen Sohnes namens Lennox. Der kleine Kerl ist eine Wucht, wenn auch gerade in einem etwas schwierigen Alter, aber er schafft es immer, mir ein Lächeln ins Gesicht zu zaubern. Mit Susanna, Lennox’ Mutter, bin ich seit zwölf Jahren zusammen. Sie ist wie ich eine echte Kiezgöre und kennt das Gastronomiegeschäft von der Pike auf. Gemeinsam betreiben wir neben dem Elbschlosskeller noch einige andere Kneipen, wie die Meuterei und das Bayernstüberl und das Zum Motherfucker, das früher Gerhards hieß und nicht mehr so richtig in Schwung kam. Aber seitdem wir den Laden umgetauft haben (und uns hielten einige für völlig bekloppt: „Motherfucker“? Ernsthaft?), rennen uns die Leute – vor allem männliche Touris, die aus der Herbertstraße kommen und als Erstes das Wort „Motherfucker“ lesen – die Bude ein. Die Zeiten sind hart, ich sagte es schon, und je mehr in den vergangenen Jahren unser kleines Kiez-Imperium anwuchs, umso größer wurde auch die Verantwortung, die auf unseren Schultern lastet. Die komplette Logistik und Orga, Mieten, Wareneinkauf, die Gehälter für die Angestellten, das ist ein Riesenkostenapparat. Und als wir wegen der Pandemie schließen mussten, war das keine einfache Sache. Ich erlebe es tagtäglich bei vielen anderen in unserem Umfeld, wie schwierig es ist, neben dem Job das Familienleben nicht zu vernachlässigen. Das hat mich tatsächlich lange Zeit sehr mitgenommen, wenn ich merkte, ich kam an meine Grenzen. Susanna und ich reißen uns wirklich den Arsch auf, um unser Leben gewuppt zu bekommen, die Läden am Laufen zu halten und gleichzeitig unserem Sohn gute Eltern zu sein. Ich will nicht einer dieser Väter sein, die nur das Geld nach Hause bringen und sich ansonsten verdrücken. Ich will ein Vater sein, der sich Zeit nimmt und einfach da ist. Weil ich selbst nicht so aufgewachsen bin.
Meine Eltern – der berühmte „Wodka-Lothar“ und meine Mutter Katja, die Toch