: Luisa Neubauer, Dagmar Reemtsma
: Gegen die Ohnmacht Meine Großmutter, die Politik und ich
: Tropen
: 9783608119404
: 1
: CHF 8.90
:
: Biographien, Autobiographien
: German
: 240
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
»Meine Großmutter hat sich mit allen Leuten zweimal zerstritten. Das erste Mal, als die Leute die Schrecken der NS-Herrschaft zu schnell vergessen wollten. Und dann, als sie die ökologischen Katastrophen nicht wahrhaben wollten.« Dagmar Reemtsma ist fast 90, sie ist ein Kriegskind. Ihre Enkelin Luisa Neubauer ist in Friedenszeiten aufgewachsen, doch ihre Generation ist durch die ökologische Zerstörung bedroht. Sie beide verbindet ihr Einsatz gegen die Ohnmacht angesichts der ­Krisen und Kriege der Welt. In diesem Buch erzählen sie ­erstmals ihre persönliche und politische Geschichte. Zwei außergewöhnliche Frauen und Aktivistinnen, hundert Jahre Geschichten gegen die Ohnmacht - eine Verschwisterung über die Generationen. Luisa Neubauer hat eine besondere Beziehung zu ihrer Großmutter Dagmar Reemtsma. Seit sie ein Kind ist, besprechen sie alles ­miteinander. Persönliches, genauso wie die großen Fragen von Geschichte, Politik und Gesellschaft. Früh fingen sie an darüber nachzudenken, was Privilegien bedeuten, und wie man ihnen gerecht wird. Sie wurden in sehr unterschiedliche und sehr schwierige Zeiten hineingeboren, mussten früh eine ­eigene Haltung finden: Dagmar Reemtsma wurde in Zeiten des erstarkenden Nationalsozialismus geboren, ihr Vater kam in einem KZ ums Leben. Luisa Neubauer musste verstehen, dass das Land, in dem sie aufwächst, ihre Generation nicht vor der Klimakrise schützt. Als sie ihr Studium aufnimmt, um die ökologischen Katastrophen besser zu verstehen, stirbt ihr Vater. Doch der Ohnmacht zu erliegen, war für beide nie eine Option. Der Krieg gegen die Ukraine brach mitten in die Gespräche zu diesem Buch. ­Keine von beiden hätte geglaubt, wieder Krieg in Europa erleben zu müssen. Und wieder stehen sie vor Haltungsfragen, vor Verantwortungsfragen und der Frage, was man der Ohnmacht entgegenstellt. SPIEGEL-Bestseller

Luisa Neubauer, geboren 1996 in Hamburg, ist eine der weltweit bekanntesten Klimaaktivistinnen. Die Geographiestudentin lebt in Go?ttingen und Berlin. Zuletzt erschien von ihr und Alexander Repenning Vom Ende der Klimakrise (2019) und mit Bernd Ulrich Noch haben wir die Wahl (2021). Seit 2020 hostet sie den Klimapodcast 1,5 Grad.

In meinen letzten beiden Schuljahren bin ich jeden Freitag nach der Schule zu meiner Großmutter gefahren. Daran muss ich denken, als ich vor ihrem Haus stehe. Neben der Tür lehnt noch immer der Besen an der Hauswand. Wer zu Besuch kommt, fegt kurz die Treppenstufen, damit meine Großmutter nicht auf dem Laub ausrutscht.

Wenn meine Großmutter mich damals vor dem Küchenfenster stehen sah, rief sie so nachdrücklich:Aaach, Luisaa, als wäre sie jeden Freitag aufs Neue überrascht von meinem Besuch. Drinnen hielt sie Hausschuhe bereit, damit ich keine kalten Füße bekäme. In meiner Erinnerung schlurfte ich in viel zu großen Schlappen hinter ihr her in die Küche.

Während sie im Topf rührte, ließ ich mich auf die Küchenbank fallen, steckte die eiserne Nähmaschine auf dem Regal aus, um dort mein Handy zu laden. In der Tasche hatte ich oft kleine Zettel, auf denen standIndien oderElbvertiefung oder auch80er-Jahre, hä? Dinge, die wir im Unterricht besprochen hatten und die ich mit meiner Großmutter diskutieren wollte. Noch bevor ich richtig angekommen war, war sie schon mittendrin:Luisa!, sagte sie dann,was ist nur wieder alles passiert!

Die Tradition der Nachmittage bei meiner Großmutter reicht weit zurück. Schon als kleines Kind verbrachte ich solche Nachmittage bei ihr. Damals trafen wir uns nicht zuerst in der Küche, sondern in ihrer Holzwerkstatt, unten im Keller. Irgendwann hatte sie ihre Garage ausgebaut und statt eines Autos eine Werkbank reingestellt. Sie hatte übriggebliebenes Holz vom Baumarkt geholt und an der Wand eine lange Leiste mit Löchern angebracht, an die sie buntes Werkzeug hängte. Solange ich denken kann, sitze i