VORGESCHICHTE:
GEFÄHRLICHE LIEBE
UNTERM HAKENKREUZ
Eine Einleitung von Christian Hardinghaus
Was mich kränkt und was ich auf die Dauer nicht ertrage, ist, dass ich ausgestoßen bin aus meinem Volk. Ich merke es ja immer deutlicher. Wo ich hinkomme, verschließt man die Türen und – schlimmer – die Herzen. Meine Frau ist Halbjüdin, meine Kinder sind Mischlinge. Wie soll man mich da ernst nehmen können?
Am 12. September 1937 verfasst der Augenarzt Helmut Machemer diese Zeilen in einem Brief an seinen Bruder Robert. Er beschreibt damit die ausweglose Lage eines Mannes, der im nationalsozialistischen Deutschland mit einemMischling ersten Grades verheiratet ist, im Volksmund auch alsHalbjude bezeichnet. Nach denNürnberger Rassengesetzen vom 15. September 1935 gehören dieser geächteten Gruppe jene Menschen an, die mindestens zwei jüdische Großelternteile haben.
Schon am Anfang seiner Beziehung zu Erna machten Familie und Freunde Helmut Machemer darauf aufmerksam, dass seine Freundin doch recht jüdisch aussehe. Helmut bittet sie im Juni 1932, nach dreijähriger Beziehung, um Auskunft. Die damals 23-jährige Erna ist zutiefst erschrocken und fragt ihre Eltern. Ihr Vater verfasst einen langen Brief, in dem er seiner Tochter bestätigt, dass ihre Mutter jüdischer Herkunft ist. Er habe ihr nichts davon gesagt, um ihr das Leben nicht unnötig schwer zu machen – wohl wissend um den seit Beginn des 20. Jahrhunderts wachsenden Antisemitismus in Deutschland. Zugleich versucht er, sie zu ermutigen:
Wenn Du Dir gedemütigt vorkommst durch das Judenblut in Deinen Adern, so kannst Du ja auf die immerhin 400 Jahre alte väterliche Familie pochen, die doch in gewissem Sinne in der Wertgeltung einen Ausgleich bietet.
Für Erna, die zu dieser Zeit in Kiel Medizin studiert, bricht eine Welt zusammen. Die Aufmärsche der Nationalsozialisten in der Ostseestadt, die offen eine radikale Judenfeindschaft propagieren, sieht sie nun mit anderen, ängstlichen Augen. Ihr wird bewusst, dass sie selbst Schwierigkeiten bekommen werden wird, ihren angestrebten Beruf als Ärztin jemals ausüben zu können. Auch fürchtet sie, dass die Karriere ihres Freundes, der nach bestandener Promotion und Approbation in der Münsteraner Universitäts-Augenklinik arbeitet, in Gefahr ist. Verzweifelt schreibt sie ihm:
Mein lieber Helmut, ich habe nur den einen Wunsch, noch einmal bei Dir zu sein. Der Du mein größtes Glück warst. Komm bald, dann will ich Abschied nehmen, so war’s ein Stücklein Leben mit Freude und Leid. Ohne Unrecht, wenn‘s ein Herrgott betrachtet. Bis dahin will ich versuchen, tapfer zu sein. Leb wohl, Geliebter! Deine Erna.
Doch es sollte nicht das letzte Treffen werden. Helmut bekennt sich zu seiner Erna. Dass sein Wunsch nach einem unbeschwerten Familienleben bedroht ist, nimmt er in Kauf und zugleich den Kampf um die Familie an.
Dass ich Dich immer lieb habe, daran zweifle nicht,
schreibt er und macht ihr einen Heiratsantrag. Der kleine Robert wird zwei Monate nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten (30. Januar 1933) geboren. Zunächst erkennt Helmut die drohende Gefahr nicht.
Nach dem Versailler Friedensvertrag von 1919 hatten die Siegermächte Großbritannien, Frankreich, Italien und die USA dem Deutschen Reich die allein