3. BERNBURG
Bernburg ist eine alte Residenzstadt in Sachsen-Anhalt – mehr als tausend Jahre alt, Talstadt und Bergstadt getrennt von der Saale, und über allem thront das prächtige Schloss mit dem Bärenzwinger im ehemaligen Burggraben. Vom Eulenspiegelturm im Schlosshof geht der Blick weit ins Land und auf den Fluss mit Schleuse und Wehr. Hier regierte von 1508 bis 1562 Fürst Wolfgang von Anhalt-Köthen aus dem Geschlecht der Askanier, ein Freund Luthers, der als einer der ersten Landesfürsten die Reformation einführte. Noch heute zeugt im Schloss der »Wolfgang-Bau«, den er im Renaissance-Stil errichten ließ, von seiner Macht.
Es war ein sonniger, warmer Frühlingstag, als amerikanische Panzer am 14. April 1945 auf die Stadt vorrückten. Vom Luftkrieg war Bernburg weitgehend verschont geblieben, nur in der Nähe des Bahnhofs waren drei Tage zuvor Bomben gefallen. 105 Tote waren zu beklagen. In letzter Minuten hatte ein SS-Kommando die moderne Stahlbetonbrücke am Markt gesprengt, die Berg- und Talstadt verband. Auch die Brücke der Reichsbahn und die Annenbrücke, über die der Fernverkehr lief, flogen in die Luft. Die Trümmer lagen jetzt in der Saale. Alle Nazigrößen hatten sich abgesetzt, Kreisleiter Himmerich hatte sein Sparkassenkonto geräumt und seine Familie in Sicherheit gebracht.
Während die Bergstadt schon besetzt war, versuchte Ortsgruppenleiter Dreyer, Hausmeister in der Waldauer Schule, die von Westen gegen die Talstadt vorrückenden Amerikaner mit Panzersperren und Volkssturmmännern aufzuhalten. In der Nacht bauten mutige Anwohner, Männer und Frauen gemeinsam, die sinnlosen Barrikaden wieder ab, um Blutvergießen zu verhindern. Auch in der Talstadt hängten die Leute nun weiße Laken und Handtücher zum Zeichen der Kapitulation aus den Fenstern. Am nächsten Morgen wurde der Durchhalte-Nazi Dreyer festgenommen und musste unter dem Jubel der Bürger die Breite Straße hinunter vor einem Panzer herlaufen.
Oberbürgermeister Max Eggert, ein alter NS-Kämpfer, wurde im Rathaus gefangen genommen. Der US-amerikanische Stadtkommandant Major Ross M. Stribling und sein Stellvertreter Captain Wallden Moore regierten jetzt in Bernburg. Als Erstes wurden alle NS-Gesetze außer Kraft gesetzt. Amtssprache war ab sofort Englisch. Zehn Bürger, die gut Englisch sprachen, wurden als Dolmetscher verpflichtet. Auf Empfehlung von vier Pfarrern ernannte Major Stribling den politisch unbelasteten Kohlenhändler Reinhold Hey zum Oberbürgermeister.
Am 17. April hingen in der Stadt handgemalte Plakate: »Achtung! Waffen aller Art und Munition sind bis heute 18 Uhr auf dem Waisenhausplatz abzuliefern, Hausdurchsuchung wird vorgenommen. Aerztl. Betreuung u. Lebensmittelversorgung führt die amerikanische Besatzung durch. Plünderungen u. jedes Vergehen gegen die amerikanische Besatzung wird mit dem Tode bestraft.« Und am 2. Mai rief Oberbürgermeister Hey im Namen des »Hauptquartiers Bernbur