Dieses Kapitel erläutert die wichtigsten medienpädagogischen Grundlagen, die du im Hinterkopf haben solltest, wenn du Actionbound in der Kinder- und Jugendarbeit nutzen möchtest. Falls dich das Thema über diese kompakten Erklärungen hinaus interessiert, schau doch mal in den Anhang dieses Buches, dort findest du im Kapitel „Wenn du mehr willst“ spannende Literatur zur Vertiefung.
Was für ein Gewinn war es, als Gutenberg im Übergang vom 15. zum 16. Jahrhundert den Buchdruck erfand, sodass Flugblätter, Zeitungen und Bücher in großen Mengen gefertigt werden konnten! 500 Jahre später wurde der Rundfunk als neues Massenmedium erfunden (1923), wenige Jahre später das Fernsehen (1935). Schließlich brachte der Computer (1941), nicht zuletzt mit der Möglichkeit, per Email (1971) zu kommunizieren, den nächsten großen Digitalisierungsschub. Mit der Entwicklung des Smartphones (1992) begann das nächste große Zeitalter. Zunächst waren die Geräte nicht gerade handlich und auch Internet gab es noch nicht mobil. Aber die Einführung des ersten iPhones (2007) hat unser Leben nachhaltig verändert. Denn die Palette der Anwendungsmöglichkeiten eines Smartphones geht weit über das mobile Telefonieren hinaus: So dient es z. B. als Kamera, Adressbuch, Diktiergerät, Wetterdienst, Spielekonsole, Lexikon und vieles mehr. Durch die Kombination aus technischer Ausstattung für virtuelle Spiele einerseits und Mobilität andererseits wurde die Bandbreite der Möglichkeiten für die Entwicklung Smartphone-basierter Spiele beinahe grenzenlos. In den Stores stehen Apps zu jedem Thema und Anwendungsgebiet bereit und viele von ihnen sind aus unserem Alltag kaum noch wegzudenken. In diesem Bewusstsein permanenter Verfügbarkeit von multimedialen Inhalten wachsen Kinder und Jugendliche auf. Das ist Chance und Herausforderung zugleich.
Die beiden maßgeblichen Studien für die Mediennutzung von Kindern und Jugendlichen in Deutschland sind die KIM-Studie (Kinder) und die JIM-Studie (Jugendliche). Laut JIM-Studie 2021 besitzen 97% der Kinder und Jugendlichen zwischen 12 und 19 Jahren ein Smartphone. Laut der KIM-Studie wachsen Kinder zwischen 6 und 13 Jahren in digital sehr gut ausgestatteten Haushalten auf. Fernsehgeräte, Computer, Internetzugang und Smartphone sind in 95% der Haushalte verfügbar. 50% der Kinder besitzen sogar ein eigenes Smartphone. Diese Tendenz wurde in der Corona-Zeit noch weiter verstärkt. Auch mobiler Internetzugang und WLAN an öffentlichen Orten wurden und werden immer weiter ausgebaut. Das führt dazu, dass Kinder, Jugendliche und Erwachsene immer mehr Zeit im digitalen Raum verbringen. Längst prägen Menschen, die auf Displays starren und die Welt um sich herum scheinbar vergessen, das Bild in Innenstädten, öffentlichen Verkehrsmitteln aber auch in Wäldern und Parks. Das medienkritische Urteil ist schnell gefällt: typisch! Alles muss digital sein. Im Hier und Jetzt ist kaum noch jemand unterwegs.
Aber vielleicht sind einige dieser Menschen gar nicht ausschließlich in der virtuellen Welt unterwegs, sondern nutzen das Smartphone für ein Bildungsangebot?„Gamification“ ist hier das Schlüsselwort. Es beschreibt die Verwendung von Spielen in herkömmlich eher spielfreien Kontexten. Der Begriff ist vom englischen Wort „game“ (Spiel) abgeleitet. Aber was ist damit genau gemeint? Spiele haben eine ungeheure Kraft zu begeistern, Eindrücke zu verarbeiten, Selbstvertrauen und Selbstwirksamkeit zu fördern und damit auch die Resilienz zu stärken. Sie fördern Teamgeist und erzählen Geschichten. Außerdem lernen Spielende quasi nebenbei. Und das ist auch schon der Hauptaspekt von Gamification: Hier wird spielend gelernt und Wissen vermittelt. Wenn wir diese Beschreibung zugrunde legen, dann geschieht in der Kinder- und Jugendarbeit genau dasselbe. Gamification ist ein wichtiges Element unserer Arbeit – und wir können es auch in der digitalen Welt für unsere Arbeit nutzen. Kritische Stimmen mögen sich melden und sagen, dass sei nicht nötig, vielmehr sei ein Gegenpol zur Digitalisierung gut. Wir denken: Beides ist richtig. Unsere Arbeit kann Gegensätze verbinden. Nutzen wir die Chance, die digitale Welt mit der realen Welt zu verbinden, und nutzen wir die Potenziale der digitalen Medien. Neben Kommunikation und (auf vielfältige Art möglicher) Kooperation, Aktualität der Inhalte und der Möglichkeit, diese Inhalte auf bestimmte Zielgruppen zuzuschneiden, liegt auch in Partizipation und Subjektorientierung eine sehr große Chance, die unseren Strukturen guttut (s. dazu auch Kap. „Kreativität – Partizipation – Subjektorientierung“). Die eingangs genannten Zahlen zeigen zudem, dass die Angst, einzelne Kinder/Jugendliche könnten ausgegrenzt werden, weil sie kein Smartphone besitzen, unbegründet ist. Diese Sorge muss uns also von der Nutzung von Actionbound nicht abhalten. Da viele Jugendliche eine Daten-Flat haben, ist in der Regel auch die Nutzung mobiler Daten kein Problem mehr. Einzig die Netzabdeckung kann – je nach Region – etwas schwierig werden, weswegen es sich lohnt, die Route eines Bounds im Vorfeld einmal selbst zu gehen.
Es geht darum, digitale Medien nicht pauschal zu verteufeln, sondern sie ernst zu nehmen. Wenn wir das tun, arbeiten wir schon medienpädagogisch. Das ist wichtig, denn wie bereits erwähnt wachsen die Kinder und Jugendlichen in einer Zeit auf, in der sich digitale Angebote gegenseitig überbieten. Hier einen ausgewogenen Umgang zu finden, ist für uns Erwachsene nicht immer leicht. Daher ist es wichtig, sich mit dem Thema Medienpädagogik verantwortungsvoll auseinanderzusetzen. „Verantwortung“ heißt hier, digitale Möglichkeiten zu integrieren, sie Teil unserer Arbeit werden zu lassen – alltagstauglich, nicht antiquiert und dennoch nicht allein im Fokus stehend.
Was sind Medien? Schauen wir auf den Wortstamm, s