4. Kapitel
Warum hatte ihr ihre Mutter nichts gesagt?
Nina wusste sofort, wann sie ihre Mutter das letzte Mal gesehen hatte.
Bewegungslos lag dieses Treffen in ihrem Inneren.
Es war am sechsten Geburtstag ihrer Tochter Fanny gewesen. Es hatte geregnet, der Himmel hing grau und hochnebelverhangen über dem Boden. Die Blätter lagen wie ein glänzender Teppich vor dem Haus. Im Kiesweg vor der Haustür hatten sich kleine Seen gebildet. In die Fanny mit ihren Gummistiefeln hineinhüpfte.
Nina hatte in der Nacht nicht gut geschlafen. Sie hatte schlecht geträumt. Sie hatte sich einen Kaffee gekocht, den Garten und das braune, glitschige Laub betrachtet und gesehen, dass ihre Mutter bereits wach war. Geschminkt stand sie unter dem Dach des Gartensitzplatzes und rauchte. Marlboro. Schon seit Ewigkeiten diese Zigaretten in der roten Packung. Nina hatte die Terrassentür geöffnet und gefragt: »Kaffee?«
Die Mutter hatte genickt: »Schwarz.«
Zwischen ihren roten Fingernägeln stiegen weiße Fäden in die Luft. Sie rauchte die Zigaretten jedes Mal nur halb und zündete sich an jeder Zigarette die nächste an. Im Aschenbecher schwammen viele Zigarettenenden, auf jedem ein Lippenstiftabdruck. Sie sahen aus wie geküsst. Nina hatte zwei Tassen Kaffee geholt, hatte ihre warme Winterjacke mit dem Fellkragen angezogen und sich zu ihrer Mutter gestellt. Sie mussten ein lustiges Bild abgeben, hatte Nina gedacht. Sie, mit ihren hellen, wirren Haaren, Schlafanzug und gesteppter Jacke, ihre Mutter in Batikbluse, grauen Leggings, roten Ballerinas, geschminkt, angezogen, als hätte sie sich in der Jahreszeit geirrt.
»Ist dir nicht kalt?«
Die Mutter hatte den Kopf geschüttelt.
»Ich schenke Fanny Geld. Ich weiß nicht, wofür sie sich interessiert.«
Ninas Handgelenke hatten zu jucken begonnen, und sie kratzte sich.
Die Mutter fuhr sie scharf an: »Lass das!«
Nina hatte sich gebückt, um nasse Blätter aufzuheben, die ihre Haut kühlten. Ihre Hände wurden kalt und ihre Finger k