1. KAPITEL
Zieh dich an, damit wir diese billige Herberge verlassen können“, sagte Adam Townsend, Marquess of Rockingham, gleichgültig, während er auf das vor Entsetzen gelähmte Paar in den Laken blickte. Ein dünnes Lächeln hob kaum merklich seine Mundwinkel, als er auf dem Absatz kehrtmachte und sich anschickte, das Zimmer zu verlassen. Das Gasthaus, in dem sie sich befanden, lag ärgerlich weit entfernt von London an der Straße nach Gretna Green.
Die brünette Frau im Bett, die das ganze Ausmaß seiner stummen Verachtung zu spüren bekommen hatte, wand sich aus den Armen ihres blonden Liebhabers und setzte sich auf. „Du bist so selbstgerecht, dass es mich krank macht! Du selbst hast mehr Frauen gehabt, als ich zählen kann, doch mir gönnst du nicht den kleinsten Spaß! Wie kannst du es wagen, mich anzublicken, als wäre ich nichts weiter als Schmutz unter deinen Schuhen?“
Adam lehnte sich an die Tür, durch die er das Zimmer wenige Augenblicke zuvor unbemerkt betreten hatte. Angelegentlich betrachtete er seine Fingernägel, ehe er den Kopf hob und gelangweilt zu dem Pärchen im Bett hinüberblickte. Die Frau bebte vor Wut, als sie seine abschätzige Miene bemerkte.
„Deine neuerliche Eskapade hat mir große Ungelegenheiten bereitet, Theresa. Daher rate ich dir, halte deine Zunge im Zaum. Ich habe Wichtigeres zu tun, als meine Zeit damit zu vergeuden, dich in heruntergekommenen Spelunken zu suchen, nur um dich wieder bei einem Techtelmechtel zu erwischen.“ Sein Blick richtete sich auf ihren Liebhaber, der darauf nervös die Beine aus dem Bett schwang und aufstand. Rasch hob er seine Kniehosen vom Boden auf und schlüpfte hinein.
„Sie hat recht und das weißt du, Townsend“, sagte der Mann, während er sich die Hose zuknöpfte. „Wärst du nicht solch ein verdammter Heuchler, wäre ich vielleicht beschämter, in einer solchen Lage ertappt worden zu sein.“
„Er mischt sich nicht um seinetwillen ein, musst du wissen“, sagte Theresa. „Er ist lediglich um die Gefühle seiner lieben Mutter besorgt und natürlich um den guten Ruf der Familie. Ha! Welch ein Witz! Die Townsends sind schon seit jeher in der ganzen feinen Gesellschaft als Frauenhelden berüchtigt!“
„Ja, es ist wahr, meine Mutter hat nicht gerne eine Dirne zur Schwiegertochter, und wer könnte es ihr verübeln? Geh zurück zu deiner Gattin, Sheldon, ehe ich vergesse, dass wir einmal Freunde waren.“
Tobias Sheldon nahm seinen Gehrock vom Stuhl und enthüllte dabei eine Pistole, die auf dem Sitz lag. Nachdenklich nahm er die Waffe in die Hand.
„Wenn du sie benutzen willst, nur zu“, sagte Adam gelassen. „Um unseren Familien allerdings den Skandal zu ersparen, möchte ich einen diskreteren Ort für unser kleines Treffen vorschlagen. Ich suche uns eine versteckte Lichtung, und du kannst meinetwegen die Wahl der Waffen haben.“
Sheldon warf seiner Geliebten einen kurzen Blick zu, dann steckte er die Waffe mit belämmertem Gesichtsausdruck in die Tasche. Theresa funkelte ihn wütend an.
„Sehr vernünftig“, sagte Adam flüchtig lächelnd. „Sie ist den Ärger nicht wert, nicht wahr?“
Ohne zu antworten, stürzte Tobias Sheldon aus der Tür und die Treppe hinunter.
Theresa kniff verärgert die Lippen zu einem schmalen Strich zusammen, griff nach einem Schuh und warf ihn auf Adam. Geschickt wich er der zierlichen Stiefelette mit einem Schritt zur Seite aus. Der Schuh prallte an die Tür und fiel zu Boden. Adam hob eine dunkle Augenbraue, worauf Theresa aus dem Bett sprang, zu ihm hinüberlief und auf ihn einschlug. Seine starken Arme hinderten sie indes daran, ihm das Gesicht zu zerkratzen. Gleich darauf schmiegte sie sich sinnlich an ihn, doch er stieß sie leicht zurück.
„Zieh dich an, Theresa. Ich warte unten auf dich, allerdings nicht länger als zehn Minuten.“
„Zehn Minuten!“, schnaubte sie und schaute vielsagend auf ihr elegantes Kleid, das achtlos hingeworfen über einem Schemel lag. „Glaubst du ernsthaft, ich könnte mich in zehn Minuten wieder schicklich machen?“
„Keineswegs, meine Liebe“, erwiderte er. „Das würde dir meiner Ansicht nach nicht einmal in zehn Jahren gelingen. Zieh einfach deine Kleider an, und spar dir das Schmollen für den Heimweg auf. Sheldon ist gegangen, seine Brieftasche hat er mitgenommen. Also tust du entweder, was ich dir sage, oder du musst selbst sehen, wie du nach Hause kommst.“
Er verließ das Zimmer, um gleich darauf freudlos aufzulachen, als er hörte, wie etwas auf die Tür, die er eben geschlossen hatte, prallte. Sie hatte wohl auch den anderen Schuh nach ihm geworfen, begleitet von einem schrillen Schrei der Wut und originellen Flüchen. Gerechterweise musste er zugeben, dass einige ihrer Beschimpfungen berechtigt waren.
Im Schankraum ließ er sich einen Brandy geben und setzte sich an einen Tisch beim Fenster. Er starrte in die Dunkelheit, die nur durch den schwachen Schein einer Öllampe erhellt wurde. Draußen im Hof sprach Tobias Sheldon mit einem Stallburschen, der gerade seine Kutsche vorgefahren hatte. Bald darauf verschwand die Kutsche in der Nacht. Adam nahm Sheldons Abreise mit gewisser Wehmut zur Kenntnis. Sie waren gute Freunde gewesen, und nun war ihre Freundschaft wegen dieses Weibsbildes getrübt. Doch er wusste aus eigener Erfahrung, wie überzeugend Theresa sein konnte. Er wünschte sich, er hätte damals ihrem verführerischen Charm