2 Kreativität – und wie sie Kinder stark macht
Um zu verstehen, wie Kreativität Kinder stark machen kann, müssen die einzelnen Faktoren – der kreative Prozess, die kreative Persönlichkeit, das kreative Produkt und das kreativitätsfördernde Umfeld – genauer betrachtet werden. Die künstlerisch-kreativen oder pragmatisch problem lösenden Aspekte der Kreativität fördern nämlich nicht nur ganzheitlich die Persönlichkeitsentwicklung und die kognitive Entwicklung von Kindern, sie machen auch stark für die Bewältigung von Belastungssituationen, wie eine Studie zu künstlerisch ästhetischer Kreativität und Resilienzförderung zeigt (vgl. Braun et al. 2014 a).
2.1 Der Zusammenhang: kreativer Prozess, kreatives Ergebnis, kreative Persönlichkeit und kreatives Umfeld
Kreativität – ein Findungsverfahren
Mit Kreativität wird ein Findungsverfahren beschrieben, das systematisch, inspirativ oder auch unter Einbeziehung von Zufällen in allen Lebenskontexten ablaufen kann. Um kreative Leistungen hervorzubringen, steht kein probates Routineverfahren, kein Rezept, keine Handlungsanleitung zur Verfügung. Der Mensch muss das Problemlösungsverfahren für sich selbst entdecken, erfinden und konstruieren. Neugier und Suchen setzen den Findungsvorgang auf kognitiver, sozialer und emotionaler Ebene voraus. Findungsverfahren führen zu eigenständigen und originellen, also ursprünglichen Ergebnissen.
Der kreative Prozess
Derkreative Prozess beschreibt dieses Findungsverfahren idealtypisch und teilt ihn klassisch in Phasen ein, die das kreative Denken und Handeln strukturiert beschreiben:
1. Vorbereitungsphase
2. Inkubationsphase
3. Illuminationsphase
4. Produktions- und Verifikationsphase
Bei derVorbereitungsphase handelt es sich um eine Phase der Problemsensitivität, in der Neugier geweckt ist sowie Informationen oder Material gesammelt werden. DieInkubationsphase ist gekennzeichnet von einem mehr oder weniger unbewussten Bearbeiten des Problems; in derIlluminationsphase erfolgt die plötzliche Einsicht in eine mögliche Lösung. Diese Erkenntnis taucht oft spontan und ungeplant in den verschiedensten Situationen auf, weil sich das Gehirn mit einem bestimmten Problem unterhalb der Bewusstseinsschwelle auch dann noch befasst, wenn wir gar nicht konkret daran denken oder meinen, die Lösung schon aufgegeben zu haben. Es folgt dieProduktions- und die Verifikationsphase, in denen die Lösung zunächst umgesetzt und schließlich auf ihre Angemessenheit hin erprobt wird (Holm-Haldulla 2007).
Diekreative Kompetenz von Kindern entwickelt sich im erfolgreichen Durchlaufen kreativer Prozesse, die sowohl intuitiv als auch organisiert ablaufen können. Hierzu brauchen sie aber eine anregende Umgebung, die ihnen den Zugang zu vielen ästhetischen Materialien und Alltagsmaterialien sowie Ermutigung zum Experiment bietet. Kreative Prozesse beginnen grundsätzlich mit einer Aufgabe bzw. einer Problemstellung, die das Individuum lösen will. Ein großer Fehler ist es, wenn Erwachsene Kindern eine bestimmte Lösung vorge