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Donnerstag. Padre Roque sitzt erneut in seinem Beichtstuhl, es ist 17:20 Uhr. Heute kam die alte Señora Barros und beichtete ihm, dass sie immer noch wütend auf ihren verstorbenen Gatten ist, weil er damals den Sohn an die Polizei verriet. Der Sohn war desertiert und hatte sich bei ihnen zu Hause versteckt. Aber der verstorbene Gatte hielt die Feigheit des Sohnes für eine Schande und verständigte die Behörden. Die nahmen ihn mit und steckten ihn für zehn Jahre nach Carabanchel ins Gefängnis. Als er wieder rauskam, war er nicht mehr derselbe. Solange der Vater lebte, kam der Sohn nicht mehr nachhause, und Señor Barros starb an gebrochenem Herzen, da ist sich die Witwe sicher. Oft wacht sie schweißgebadet auf und wünscht ihm den Tod, obwohl er längst nicht mehr lebt. Deshalb kommt sie fast jede Woche zur Beichte.
Padre Roque weiß, dass er Gottes Werk verrichtet, wenn er ihr ausreichend viele Bußgebete und Vaterunser aufgibt, damit sie die Woche über beschäftigt ist. Manchmal empfindet er echtes Mitleid für die alte Dame, die jede seiner Messen besucht, stets in der ersten Reihe sitzt und voller Inbrunst betet. Der Sohn, der sie ein paar Mal begleitet hat, ist allerdings ein unangenehmer Typ. Er hat den Padre von Anfang an misstrauisch angeblickt, als wäre dieser an irgendetwas schuldig. Das kränkt den Padre, denn er gibt sich viel Mühe mit Señora Barros und ist immer für sie da. Aber die Verwandtschaft kann sich niemand aussuchen, die Señora trägt nicht die Schuld daran, dass ihr Sohn keine Manieren hat.
Jemand betritt den Beichtstuhl und setzt sich. Der Padre blickt auf die Uhr, um abzuschätzen, wer es sein könnte. Bevor er sich länger Gedanken machen kann, sagt die gehetzte Stimme vom Vortag:
»Padre, es tut mir leid, dass ich Sie gestern einfach sitzengelassen habe.«
»Mach dir keine Sorgen um mich, mein Sohn«, erwidert der Padre und legt eine Extraportion Güte in seinen Tonfall. »Bist du heute bereit zu sprechen?«
»Ich … ich hoffe es, Padre«, sagt die Stimme gepresst. »Es ist nicht leicht, weil es so … unmoralisch ist, was ich empfinde, Padre.«
»Glaubst du an Gott, mein Sohn?«, fragt der Padre, denn er hat das Gefühl, jetzt einmal grundsätzlich werden zu müssen.
»Ja, ich glaube an Gott, unbe