2. VERFÜHRT UND VERLETZT
Apropos Vanille und Schokolade …
Rosa, Braun, Cremefarben und sogar Türkis. Oder doch lieber Dunkelrot? Die Farben schwirren vor meinen Augen. Tauche ich etwa entlang eines Korallenriffs irgendwo in der Karibik? Weit gefehlt. Ich stehe in der Eisdiele einer gewöhnlichen Kleinstadt und möchte meine Waffel füllen lassen. Und habe die Qual der Wahl. Weil es so ist, lande ich ganz oft bei Weiß/Braun, meiner persönlichen Tradition von Haselnuss und Zitrone.
Mhm, das wird lecker! Zum Glück läuft mir bei der schlichten Entscheidung noch das Wasser im Mund zusammen. Oder hätte ich doch lieber Chili-Schoko oder Basilikum-Erdbeere nehmen sollen? Uff! Die Qual der Wahl!
Schlüsselerlebnis
Eis gönne ich mir nicht täglich und das Beispiel ist letztlich banal. Wenn es nur kein Anzeichen dafür wäre, dass es uns in ganz vielen Kaufsituationen ähnlich geht: Wir sind erschlagen von einer riesigen Auswahl. Mit der einige umgehen können, andere (noch) nicht.
Rückblende. Da stehe ich in einer Marburger Boutique. Schlendere an endlosen Ständern mit Oberteilen entlang. Schaue hier und prüfe da. Plötzlich dringt eine Stimme an mein Ohr: »Hallo!«
Verwundert drehe ich mich um. Wir sind noch neu in der Stadt, ich kenne also kaum jemanden. Schnell das Gesicht scannen und überlegen, wer das ist. Ich glaube, die habe ich bei einem Frauenfrühstück in der Stadt schon mal gesehen. Grüße also fröhlich zurück.
»Da bin ich doch froh, dass ich das hier alles nicht brauche, um glücklich zu sein! Heute ist für mich nichts dabei.« So in etwa sprudelt sie mir fröhlich entgegen. Hält eine beachtliche Zahl an Oberteilen über ihrem Arm, steuert den entsprechenden Ständer an, hängt alles dort auf und nickt mir im Gehen noch aufmunternd zu. Zufrieden verlässt sie den Laden – ohne Shopping-Trophäe!
Waaas? Verdattert schaue ich ihr nach. Was hat sie eben gesagt? »Da bin ich doch froh, dass ich das hier alles nicht brauche …!«? Ja, wie um alles in der Welt kann sie denn so denken?
Nie im Leben werde ich es hinkriegen, so zufrieden und entspannt wie sie aus dem Laden zu gehen. Stattdessen bin ich eigentlich wieder randvoll mit negativen Gefühlen. Die verpesten gerade Kopf und Herz. Und hier sind sie:
• Du bist zu blass. Wärest du geschminkt in die Stadt gegangen, dann hätte dir auch etwas gestanden.
• Du bist nicht schön genug. Eigentlich müsstest du anders aussehen.
• Du bist zu dick. An den Hüften bist du einfach zu dick.
• Du bist zu entscheidungsschwach. Hättest du das Teil aus dem ersten Laden genommen, dann hättest du doch wenigstensein Oberteil. So hast du mal wieder gar keins und bist unentschlossen.
• Du bist nicht mutig genug. Die Frau dort drüben sieht ja richtig gut aus, aber du würdest es nie wagen, so etwas zu tragen.
Hilfe, welche Gedanken leben denn da in mir? An jenem Tag verlasse ich den Laden und fasse wagemutig den Entschluss: So will ich nicht mehr denken, urteilen, bewerten und einkaufen. Heute möchte ich einen Schalter umlegen und mir selbst ein Zeichen setzen: Stopp! Bis hierhin und nicht weiter!
| Fruststopp Welche Urteile über dich selbst verpesten dir beim Shoppen Kopf und Herz? |
Ganz ehrlich: Wie endeten denn normalerweise meine Shopping-Touren? Beladen mit meinem ganzen Frust kehrte ich zur Familie zurück und nervte mit meiner stinkigen Laune. Die trug ich zwar nicht laut vor mir her, aber ich zeigte sie durch mein bedrücktes, entmutigtes, freudloses Wesen.
Lichtjahre entfernt von Glück und Zufriedenheit. Gefangen in