»My vagina split.«
Keira Knightley
Keira Knightley hatte 2018 viel Kritik auf sich gezogen, als sie die Beschönigung der natürlichen Geburt anprangerte und mit dem Satz »My vagina split« plötzlich Schlagzeilen machte.1 Gut, dass eine Celebrity das mal ausgesprochen hat. Tatsächlich kommen Scheidenrisse nicht selten vor – vorausgesetzt, es wird sorgfältig danach gefahndet, wie in der POPRACT-Studie (Pelvic Floor inPregnancyAndChildbirth) in Schweden bei 644 Müttern nach ihrer ersten Geburt. Große vaginale Risse im oberen Scheidendrittel hatten 14 Prozent der Frauen zu beklagen, bei etwa genauso vielen (14,9 Prozent) blieb die Vagina unversehrt, die übrigen Einrisse (71,1 Prozent) waren unbedeutender.2 Die Statistik verschont niemanden, auch Schauspielerinnen nicht. Wie kommt es zu solchen Verletzungen, welche Strukturen am weiblichen Beckenboden sind in Gefahr? Wer verstehen will, warum sich bei vielen Frauen »untenrum« nach einer Geburt nichts mehr so anfühlt wie früher, sollte den weiblichen Beckenboden kennenlernen.
Der Damm als Anker
Beginnen wir mit dem tiefsten Punkt des weiblichen Rumpfes. Er liegt zwischen dem Anus, dem Darmausgang zwischen den Pobacken, und der hinteren Begrenzung der Vagina, der Scheide (Abb. 1, 2). Das ist der Damm, das Perineum – ein ziemlich festes Stück aus Bindegewebe und Muskulatur –, dessen hoffentlich erhaltene Stabilität nach der Geburt durch eine Tastuntersuchung überprüft werden sollte. Stellt sich eine Frau aufrecht hin, zeigen die Ausgänge von Darm, Harnblase und Scheide keineswegs lotrecht nach unten. Schon die Scheide und der Anus sind in einem leicht schrägen Winkel nach vorn beziehungsweise hinten ausgerichtet (Abb. 4). Wir haben es also in der Tiefe des Beckens mit einer Art Trichter zu tun, nicht mit einer völlig flachen Ebene, wie der Ausdruck Becken-»Boden« vermuten ließe. Die »Ausgänge« befinden sich somit nicht in der Waagerechten. Deshalb streben Organe wie der Darm oder die Blase nicht lotrecht nach unten, sobald der Halt im Beckenboden verloren geht, sondern sie drücken zur Mitte hin, zur Scheide.
Die sehnige Platte in der Mitte des Dammes dient den zahlreichen Muskeln des Beckenbodens als gemeinsamer Fixierpunkt. Dazu zählen nicht zuletzt kleinere Muskeln, die dabei helfen, das Gewebe bei sexueller Erregung anschwellen zu lassen. Der Damm ist deshalb das Zentrum, der Anker des Beckenbodens.
Die vordere Beckenbegrenzung, die alle gut tasten und fühlen können, ist die Symphyse, die die beiden Schambeinknochen miteinander verbindet. Einen weiteren Fixpunkt bildet hinten das Steißbein, der knöcherne Ausläufer der Wirbelsäule, darunter rechts und links die Sitzhöcker (Abb. 1). Umrundet wird das Ganze von der unteren Begrenzung der Beckenknochen. Damit durch diese ovale Knochenöffnung die Beckenorgane nicht herausfallen, gibt es die aus Bindegewebe und Muskeln zusammengesetzten Beckenbodenstrukturen. Sie sind als Stränge, als Platten (Faszien), fächerförmig oder in Schlingen miteinander verwoben. Zahlreiche Blutgefäße versorgen diese Gewebestrukturen mit Sauerstoff und Nährstoffen. Sie werden außerdem von Nerven durchzogen, die ihre Befehle an die Muskeln weitergeben, um dafür zu sorgen, dass die Ausgänge von Darm und Harnblase je nach Bedarf dicht halten oder sich öffnen. Die Nerven haben darüber hinaus die wichtige Aufgabe, Empfindungen an unser Gehirn zurückzumelden – das kann das Gefühl von Harn- oder Stuhldrang sein, das können Schmerzen sein oder Lustgefühle bei sexueller Erregung.
Was die Befestigung angeht, so stellt frau sich am besten eine Hängematte vor, die vorn an den Schambeinen und hinten am Steißbein aufgehängt ist (Abb. 2). Diese Hängematte ist zwar in mehreren Lagen verstrebt und seitlich an den Beckenknochen mehrfach befestigt. Entscheidend für das Verständnis von Beckenbodenschäden ist jedoch: Die Hauptau