: Tara-Louise Wittwer
: Dramaqueen Frauen zwischen Beurteilung und Verurteilung
: Eden Books - ein Verlag der Edel Verlagsgruppe
: 9783959103916
: 1
: CHF 13.10
:
: Gesellschaft
: German
: 224
: kein Kopierschutz
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Laut zu sein ist immer auch ein bisschen unangenehm, vor allem als Frau. Da wird man schnell mal als »hysterisch« oder »dramatisch« abgestempelt. Doch das sind nicht nur Begriffe, die von Männern genutzt werden - auch Frauen verwenden sie, um andere Frauen zu degradieren: »Ich bin nicht so wie die anderen« oder »Männer sind einfach viel weniger Drama« sind nur ein Bruchteil der Sätze, die man selbst im Jahr 2022 noch hört. Doch woran liegt das eigentlich? In ihrem neuen Buch widmet sich die Kulturwissenschaftlerin und erfolgreiche Influencerin Tara-Louise Wittwer der offensichtlichen und unterschwelligen Abwertung von Weiblichkeit. Sie legt offen, dass nicht nur Männer misogyn - also frauenfeindlich - handeln, sondern auch Frauen untereinander. Durch das Aufwachsen und die ständige Konditionierung in patriarchalen Strukturen hat sich Misogynie in unseren Köpfen verfestigt. Die Aktivistin hinterfragt schonungslos ihre eigenen Verhaltensmuster und die der anderen. Sie reflektiert ihre Rolle als Frau in der Gesellschaft - zwischen Be- und Verurteilung - und zeigt Wege auf, wie wir als Frauen (und Männer!) solidarisch miteinander umgehen können.

Tara-Louise Wittwer, geboren 1990, ist studierte Kulturwissenschaftlerin und lebt in Berlin. Hier arbeitet sie als Autorin und Content Creatorin. 2019 gründete sie ihr Unternehmen »wastarasagt« mit dem gleichnamigen, schnell wachsenden Instagram-Account. Auf ihren Social-Media-Kanälen spricht sie über Feminismus sowie den Einfluss von Popkultur und Medien auf die eigene Identität, internalisierte Misogynie und darüber, wie alte Rollenbilder stetig reproduziert werden. »Dramaqueen« ist ihr drittes Buch.

Repräsentation oder: Welche Frau bin ich eigentlich?


Die erste Frau, von der ich mich repräsentiert fühlte, war eine Serienkillerin. Das hört sich jetzt erst einmal komisch an – aber ich kann es erklären.

Ich hatte schon immer ein Faible für Serien und Filme; was sie in mir auslösten, wurde mir allerdings erst spät bewusst. Als Kind konnte ich mich kaum sattsehen an Disney-Prinzessinnen, die im Schlaf ohne ihr Einverständnis geküsst wurden (wieso sollten sie das nicht wollen, es war ja schließlich ein Prinz!!!). Ich fühlte mich bestens unterhalten. Aber wollte ich wirklich so sein wie sie? Als Teenagerin standen mir schließlich das aufgedrehte Cliquengirly (wir erinnern uns an Regina George im FilmMean Girls) oder die mysteriöse Außenseiterin (wie Kat in10 Dinge, die ich an dir hasse) zur Verfügung. Anders als das Cliquengirl interessierte die Außenseiterin sich nicht für ihr Äußeres oder ihre Außenwelt (am Ende standen aber beide auf denselben Typen). Besonders tief wurden die Charaktereigenschaften von keiner der beiden gezeichnet. Und überhaupt: Besonders abwechslungsreich sahen die Drehbücher in den Neunzigern und Nullerjahren nun wirklich nicht aus: Wohin ich auch sah, ich begegnete den immer selben Personen und den immer selben Storylines, nur in unterschiedlichen Pink-Schwarz-Schattierungen.

Wer also wollte oder sollte ich sein?

Dann, Anfang der 2010er-Jahre, nahmen Social Media eine immer größere Rolle in meinem und unser aller Leben ein. Mehr Menschen hatten mehr Meinungen und wurden schneller gehört als davor – und (man glaubt es kaum) manche Menschen hörten sogar zu. Und so wurde auf Blogs und in den sozialen Medien wie Facebook und Co vermehrt Stimmen laut, die kritisierten, dass Promqueenfilme (ha, hast du auch PORNqueenfilme gelesen? Ich mag, wie du denkst) kein besonders feministisches Frauenbild vermitteln. Weibliche Protagonistinnen in Filmen und Serien sollten auf einmal mehr können, als um den Schulschwarm zu buhlen und sich gegenseitig in einem Zickenkrieg zu zerstören (auf freche Weise mit süßen Outfits und Glitzer).

Und siehe da, nach und nach tat sich etwas in der Filmindustrie. Plötzlich ploppten Serien und Filme auf, die weibliche Charaktere mit Mut und Redezeit und anderen Themen (als Männerfang) zeigten. Disney brachte zusammen mit Pixar 2012 den FilmMerida heraus, in dem ein Mädchen und ihre komplizierte, aber am Ende doch gute Beziehung zu ihrer Mutter thematisiert wurde (kam mir irgendwie bekannt vor). Es folgten Filme wieVaiana oderFrozen, in denen Frauen jetzt endlich auch mal Ziele und Gedanken hatten, wie echte Menschen! Wahnsinn. Aber gesehen habe ich mich da trotzdem nicht (zumal ich auch nicht mehr in dem Alter war, in dem man sich mit Disney-Prinzessinnen identifiziert). Trotz des charakterlichen Upgrades funktionierten die meisten Geschichten weiterhin so, dass sich die Charaktere in die Guten und die Bösen unterteilen ließen. Wie im Märchen. Frauencharaktere sollten gemocht werden – oder eben nicht. Prinzessin oder böse Stiefmutter.

Ich wusste lang nicht, wohin mit meinen komplizierten Gefühlen, mit den Gegensätzen, die ich fühlte und über die ich nie reden konnte. Die normalsten Sachen waren für Frauen nicht normal. Angefangen bei Dellen in den Beinen und Neidgefühlen für Freundinnen. Dieses Schweigen und die fehlende Repräsentation meiner Gedanken und Gefühle lösten in mir eine Menge Fragen aus:

Bin ich ein schlechter Mensch???

Wieso sind alle Frauen in Filmen und Serien immer so verdammt perfekt?

Was muss ich noch tun, um auch so zu sein?

Was stimmt nicht mit mir???

Seit ich denken kann, taumele ich von einer Krise in die nächste. Ich will perfekter aussehen, als ich mich chaotisch fühle, und ich will lauter sein als der Lärm in mir, derSich finden-Lärm, derKomm endlich an, jetz