PROLOG
DIE DELPHINE
Noch ist es Nacht.
Noch haben die Hähne nicht gekräht.
Doch der Amtsschreiber Quintus Apronius ist es gewohnt, dass der Beamte früher aus dem Bett muss als das Federvieh. Ächzend angelt er mit den Zehen nach seinen Sandalen auf der staubigen Bretterdiele. Die Sandalen stehen wieder verkehrt, mit den Spitzen zum Bett: erstes Ärgernis des Tages, wie viele werden noch folgen?
Er schlürft zum Fenster, blickt in den Hof hinab, in den fünf Stockwerke tiefen Schacht des Mietshauses. Ein knochiges Weibsbild steigt die Feuerleiter empor: Pomponia, seine Haushälterin und einzige Sklavin, sie bringt das Frühstück und den Eimer mit heißem Wasser. Pünktlich, das muss man ihr lassen. Pünktlich, aber alt und knochig.
Das Wasser ist lauwarm, das Frühstück ungenießbar: zweites Ärgernis. Doch da fallen ihm die Delphine ein, Glanz und Höhepunkt des Tages, der Vorgenuss streift lächelnd seine Züge. Pomponia schwatzt und zankt, während sie in der Stube herumwirtschaftet, seine Kleider säubert, beim Zurechtlegen der komplizierten Falten seiner Amtstracht hilft. Er schreitet die Feuerstiege hinab, würdevoll und ängstlich bedacht, den Saum des hochgerafften Gewandes nicht über die Sprossen zu schleifen; er weiß, dass Pomponia, den Besen in der Hand, ihm aus dem Fenster nachschaut.
Nun ist er in der engen Gasse; der Morgen dämmert schon; den Rock immer hochgerafft, drückt er sich den Häuserwänden entlang, denn durch die Gasse fährt ein ununterbrochener Zug von Ochsen- und Pferdekarren, mit viel Geholper und Hütteho – tagsüber ist der Wagenverkehr in der ganzen Stadt Capua polizeilich verboten.
Ecke Salbenmarkt und Fischmarkt begegnet ihm ein Trupp von Bauarbeitern. Es sind Gemeindesklaven, finstere Gestalten mit hartem Blick und unrasierten Gesichtern. Er drückt sich noch enger an die steinerne Fassade, presst das faltige Gewand ängstlich an die Hüften, murmelt Abschätziges. Zwei der Vorbeimarschierenden rempeln ihn an, achtlos und ohne sich zu entschuldigen. Der Amtsschreiber zittert vor Empörung, wagt aber nicht aufzumucken – die Leute tragen keine Fesseln, verfluchte neum