Anfängliche Gedanken
Dieses Buch soll davon handeln, wie ein Mensch seinen Glanz verliert und wie er ihn wiederfinden kann. Ohne jeden Zweifel sind wir alle leuchtende Wesen und können dieses Licht sicherlich auch nie gänzlich verlieren. Aber wir können glauben, dass wir es verloren haben, und dann leuchten wir meistens weniger sichtbar.
Denn leider (oder glücklicherweise) geht es bei allem, was wir lieben, denken und ablehnen, nie um das, was ist, sondern um das, was wir glauben.
Auch dieses Buch, und was drinstehen wird, ist nicht etwas an sich, sondern nur etwas, was Sie, lieber Leser, und Sie, liebe Leserin, auf eine Ihnen besondere Weise wahrnehmen werden. Und was Sie erleben, ist immer nur, was Sie wahrnehmen. Wie Sie wahrnehmen, so wird Ihre Welt. (Selbst das müssen Sie hinterfragen und sehen, ob Sie es glauben wollen.)
Wissen Sie, ich muss Ihnen gleich zu Anfang eingestehen, dass ich als Autor dieses Buches in einem beträchtlichen Dilemma stecke. Denn seit zehn, vielleicht auch schon zwanzig Jahren kann ich Bücher nicht mehr leiden, in denen einer den Anderen nahelegt, die Welt so zu sehen, wie er sie selbst sieht. Oft ist das anschaulich getarnt, indem da zum Beispiel ein junger Naiver eine merkwürdige Frau oder einen kauzigen Alten trifft, die so tun, als ob sie ihn auf die Probe stellen und ihn erst mal schroff zurückweisen. Das wird damit begründet, dass der Junge wirklich sicher sein muss, ob er würdig ist, die Weisheit aufzunehmen. Als Leserin weiß man aber natürlich, dass die Sache früher oder später in Gang kommen wird; denn eigentlich will ja nur der Autor seine Weisheit in die Welt bringen, und dann wäre es doch dappig, wenn der junge Naive schon im zweiten Kapitel nicht mehr auftauchen würde. Und so stellt sich schließlich immer heraus, dass nach kurzem oder längerem Gerangel der tumbe Thor begreift, dass er bei jemandem gelandet ist, der oder die unfehlbar darüber im Bilde ist, wo es langgeht.
Und da zeigt sich mein Dilemma (das leicht mit Koketterie verwechselt werden könnte). Ich werde Dinge sagen, die für einige von Ihnen so klingen können, als ob sie wahr sind. Meine Absicht ist aber lediglich, sie anzubieten, als Spielformen sozusagen, als Anstöße. Derart müssen Sie das bitte unbedingt verstehen: die Angebote als Gelegenheiten aufgreifen und daraus Ihre eigene Wahrheit machen.
Das gilt fast für jeden Satz in diesem Buch. Ich habe lange gezögert, ob ich es schreiben soll. Es ist gleichsam die (vorläufige) Ernte meiner therapeutischen Arbeit und meines gelebten Lebens, die Frucht der späten Jahre. Vorläufig deshalb, da ich mich trotz meines relativ fortgeschrittenen Alters noch immer selbst als ganz und gar unfertig erlebe und in einigen Jahren mit absoluter Sicherheit vieles anders sehen und sagen werde, als ich es jetzt tue. Sie denken vielleicht (nicht ganz zu Unrecht), na, wenn er nichts vorzubringen hat, was Hand und Fuß hat, dann soll er die Finger davonlassen, es gibt ja genug Bücher auf der Welt.
Eben. Da stimme ich eigentlich mit Ihnen überein. Es gibt nur diese leise Stimme in mir, die sagt, da ist aber schon was dran an der Sache mit dem Zentralen. Du hast so viel Zeit damit verbracht, es klarzukriegen, und bist mit so vielen Menschen durch den Prozess ihrer Wahrheitsfindung gegangen, dass es doch schade wäre, wenn das überhaupt nicht vermerkt und dokumentiert wird. Und dann vielleicht eines Tages ganz und gar verschwunden ist. Und auch da können Sie wieder sagen, schön und gut, aber die Welt wird’s schon verwinden.
Ja. Das sehen Sie sicherlich richtig. Sie merken, dass ich meinen Narzissmus nicht ganz aus dem Spiel lassen kann. Narzissmus hat eben immer ein Oben und ein Unten, ein „Oh, wie herrlich und einzigartig“ und ein „Meine Güte, musste das auch noch sein?“. Deswegen ist für mich die einzig authentische Rechtfertigung das sehr ernst gemeinte Angebot, dass Sie, wenn Sie dieses Buch überhaupt lesen, es als Spielform, als Anstoß benutzen sollten. Meine Wahrheit steht da als Impetus, als Werkzeug, als Verkehrsmittel. Worum es nur geht, ist, dass Sie über diesen Weg Ihre eigene Wahrheit finden.
Das sage ich auch deswegen mit solchem Nachdruck, weil Ihnen, wenn Sie sich tatsächlich auf die ganze Sache einlassen wollen (auf die heikle Sache, Ihr eigenesZentrales kennenzulernen), durchaus eine Reihe von schmerzlichen, schambesetzten, traurigen Momenten (oder Perioden) bevorstehen könnten. Die Freude, sich