: Richard Rötzer
: Narrenträume Historischer Roman
: Gmeiner-Verlag
: 9783839273920
: 1
: CHF 12.70
:
: Historische Kriminalromane
: German
: 600
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Michel Witz träumt von einem Leben als Hofnarr, wie es sein Vater führt. Es gelingt ihm, eine Anstellung am fürstlichen Renaissancehof Herzog Wilhelms zu erhalten. Dieser feiert erst auf Burg Trausnitz in Landshut rauschende Feste und fördert später in München Künste und Jesuiten. So kommt es unweigerlich zur finanziellen Katastrophe. Um den Bankrott zu verhindern, lässt sich Wilhelm mit dubiosen Goldmachern ein, und Michel versucht es sogar mit Magie. Am Ende landet er unter dem Vorwurf der Zauberei im Gefängnis und muss um sein Leben fürchten.

Der in München geborene Richard Rötzer studierte zunächst Geschichte, nachfolgend Medizin. Bereits neben seiner klinischen Tätigkeit schrieb er historische Romane. Er lebt als freier Autor in Rosenheim.

Erstes Kapitel


Die Nacht wargrauenvoll. Und genau genommen war es noch immer Nacht, denn in das finstere Loch drang von außen kein Lichtstrahl, es sei denn, die Klappe in der eisenbeschlagenen Türe wurde für einen Augenblick geöffnet, um eine dünne Brühe und trockenes Brot zu reichen. Unter der Türe fiel ein handbreiter Schimmer herein, solange die Fackel im Vorraum brannte. Und wenn in quälend langen Abständen die Türe aufgestoßen wurde, dann bedeutete dies nur, dass die Schergen einen armen Tropf in die jetzt schon überfüllte Keuche stopften oder einen der Insassen zum Verhör zerrten oder gar zur Folter.

Ich hatte bereits jegliches Zeitgefühl verloren und mir taten sämtliche Glieder weh, dabei war ich nicht einmal angekettet. Das Liegen wurde zur Qual, nicht nur wegen des feuchten und kalten Bodens, sondern wegen der drangvollen Enge. Bald stieß mir der Leinweber von links das Knie in die Rippen, bald wurde die Strohschütt feucht, weil einer der Umliegenden unter sich gelassen hatte, sei es aus Angst oder Notdurft. Der einzige Luxus dieser Herberge war ein rostiger Kübel, den in der Dunkelheit zu finden und nicht umzustoßen ein Glücksspiel war.

Ich kauerte an der rauen Wand in der Hocke, den Kopf auf die Arme gelegt, und versuchte, den üblen Gestank von Angstschweiß, Urin und Erbrochenem zu ignorieren und die Schreie und das Stöhnen der armen Teufel, die schon durch die Folter gegangen waren, so gut es ging auszublenden.

Das Schlimmste von allem aber war die Ungewissheit. Was überhaupt würde man uns zur Last legen, und was würde die Strafe sein? Schon Fluchen konnte einem ja in diesen Tagen zum Verhängnis werden.

Ich fragte mich, ob es Vor- oder Nachteil war, dass ich nicht mehr im herzoglichen Dienst stand, denn als Angehöriger des Hofs unterläge ich jetzt nicht städtischer Gerichtsbarkeit. Man hätte mich nicht hier in der Keuche unter dem Rathaus einsperren können, sondern vermutlich nur im Falkenturm nahe der herzoglichen Residenz.

Doch andererseits bedeutete die Inhaftierung im Falkenturm meist die Anschuldigung des Hochverrats oder der Hexerei, und das ging in der Regel nicht gut aus.

Mein Leben zog in Gedanken an mir vorbei in teils prachtvollen, teils düsteren Bildern. Ich hatte als Narr am Hof des bayerischen Herzogs viele Freiheiten gehabt, nahm Teil an rauschenden Festen, hatte zu jeder Zeit Münzen in der Tasche und fand ein gewisses Ansehen und Beachtung. Aber ich war auch beteiligt an Ränkespielen und Intrigen und jagte in eitler Selbstgefälligkeit vielen Dingen vergeblich nach. Auf der verblendeten Suche nach trügerischem Narrengold war ich augenblicklich dem Henker näher als erhofftem Ruhm und Erfolg. Sollte dies nun das schäbige Ende sein?

Es war alles ganz schnell gegangen. Montags – es war ein Maientag – h