»Nick, sieh doch mal!« Angelina Dommin berührte ihren Freund am Arm. »Ein Zirkus kommt nach Maibach.« Vom Fenster des Busses aus hatte sie das Plakat entdeckt.
Dominik von Wellentin-Schoenecker beugte sich nach vorn. Er konnte gerade noch die grellen Farben des Plakates sehen, lesen konnte er nichts mehr.
»Wenn ich es richtig entziffert habe, dann findet am Samstagnachmittag die erste Vorstellung statt«, sagte Pünktchen eifrig. Angelina Dommin wurde von allen nur Pünktchen gerufen. Diesen Spitznamen verdankte sie ihren unzähligen Sommersprossen. Es störte die Dreizehnjährige aber überhaupt nicht. Im Gegenteil, hätte sie jemand Angelina genannt, hätte sie darauf nicht reagiert.
Die Kinder im Bus hatten Pünktchens Ausruf gehört, sie reckten nun die Hälse. Angelika Langenbach erhob sich sogar von ihrem Sitz. »Glaubt ihr, daß wir gehen dürfen?« Erwartungsvoll sah sie in die Runde. Ihr Blick blieb an Nick hängen.
»Klar!« antwortete Pünktchen für Nick. »Wir werden Tante Isi gleich darum bitten.«
Pünktchens Worte wurden mit großem Hallo aufgenommen. Unter den Kindern von Sophienlust, die mit dem Bus vom Gymnasium in Maibach nach Hause fuhren, herrschte Begeisterung. Nick hingegen sah Pünktchen erstaunt an. »Willst du wirklich in den Zirkus?« fragte er.
Pünktchen nickte. Sie lächelte leicht. »Warum nicht?« Und da sie den Grund für Nicks Frage kannte, fuhr sie fort: »Es ist alles schon so lange her. Ich kann mich an den Zirkus kaum noch erinnern. Jetzt gehöre ich nach Sophienlust.«
»Ja, das stimmt«, sagte Nick mit Überzeugung. Zur Bekräftigung seiner Worte legte er ihr die Hand auf den Arm.
Pünktchen errötete vor Freude. Nick hatte sie vor vielen Jahren gefunden und nach Sophienlust gebracht. Damals war sie noch ein kleines Mädchen gewesen. Ihre Eltern, Artisten, waren bei einem Zirkusbrand ums Leben gekommen. Ohne Eltern hatte sie nicht beim Zirkus bleiben wollen, daher war sie ausgerissen. Nick hatte sie in das Kinderheim gebracht. Seitdem hing sie besonders an dem inzwischen sechzehnjährigen Jungen. Sie träumte bereits davon, einmal an Nicks Seite das Kinderheim zu leiten. Im Moment wurde Sophienlust von Denise von Schoenecker verwaltet. Sie war Nicks Mutter, und da Nick Sophienlust geerbt hatte, vertrat sie ihn bis zu seiner Volljährigkeit.
Irmela Grothe, die auch zu den größeren Mädchen gehörte, mahnte: »Angelika setz dich wieder.«
Die Zwölfjährige ließ sich wiederspruchslos auf den Sitz des Kleinbusses fallen. Laut überlegte sie: »Wenn wir alle Tante Isi bitten, dann kann sie doch nicht nein sagen.« Sie sah Nick an. »Nick, was ist mit dir? Willst du auch in den Zirkus?«
Der hochaufgeschossene, gutaussehende Junge hob die Hände. »Ich schließe mich natürlich nicht aus.«
»Was heißt das?« Angelika strich sich energisch eine Haarsträhne aus der Stirn. »Willst du deine Mutti bitten, oder nicht?«
Nick grinste. »Wird erledigt. Ich werde meine ganze Überzeugungskraft geltend machen.«
Angelika rümpfte die Nase. »Ich weiß nicht, ob wir uns darauf verlassen können. Meint ihr nicht auch, daß wir Tante Isi gleich selbst bitten sollten?«
»Nichts dagegen. Bitten wir alle gemeinsam. Nur müßten wir dann zuerst wissen, welche Zirkusvorstellung wir besuchen wollen.« Nick schaute von Angelika auf Pünktchen.
»Ich bin für Sonntagnachmittag«, sagte Pünktchen, ohne zu zögern. Heftig wurde nun diskutiert, wie man Denise von Schoenecker, die liebevoll von allen Kindern Tante Isi genannt wurde, am ehesten einen Zirkusbesuch abschmeicheln konnte.
Dann war Wildmoos erreicht. Zu diesem kleinen idyllischen Ort gehörte das Kinderheim Sophienlust. Viele Handwerker ware