: Christian Schacherreiter
: Das Liebesleben der Stachelschweine
: Otto Müller Verlag
: 9783701362943
: 1
: CHF 17.70
:
: Erzählende Literatur
: German
: 264
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Sie waren Studenten und politisch engagiert: Hans-Werner Hänsel auf linkssozialistischer Seite, Dietrich Pernauer auf rechtsnationaler. Ihre Begegnungen in der Studentenvertretung verliefen entsprechend unfreundlich, und beide waren froh, als sich ihre Wege trennten. Zwei Jahrzehnte später treffen sie einander wieder, und es geht ihnen gar nicht gut. Dietrich hat gewaltigen Ärger mit seiner Herkunftsfamilie, sein älterer Bruder nutzt ihn aus, mit seinem dandy-haften jüngeren Bruder kann er nichts anfangen, mit der esoterisch veranlagten Schwester sowieso nicht. Beruflich sieht er sich unter Wert behandelt und in der Burschenschaft macht er sich gerade zur Witzfigur. Frustriert muss er regelmäßig den strahlenden Hans-Werner Hänsel in Talkshows bewundern, der kurz davor steht, Landesparteiobmann zu werden. Da wird Dietrichs Erzrivale von der ehemaligen Kommilitonin Gretel Kantor beschuldigt, sie vor zwanzig Jahren vergewaltigt zu haben. Die Skandalgeschichte von 'Hänsel und Gretel' gerät flugs in die Schlagzeilen, Hans-Werner scheint privat und politisch ruiniert. Plötzlich hält Dietrich die Fäden in der Hand und findet sich in einer ganz neuen Rolle wieder. Es ist nun an ihm, Entscheidungen mit weitreichenden Folgen zu treffen.

Schacherreiter, Christian Angaben zur Person: Geboren 1954 in Linz, aufgewachsen im Innviertel, studierte Germanistik, Geschichte und Violine in Salzburg. In den siebziger und achtziger Jahren gemeinsam mit dem Musiker Gerald Fratt mit kabarettistischen Liedern erfolgreich (u.a. 'Salzburger Stier' 1982), bis 1992 freier Mitarbeiter des ORF, langjährige Lehrtätigkeit in Gymnasien und Hochschulen, Kolumnist und Literaturkritiker für die Oberösterreichischen Nachrichten, Mitglied des Adalbert-Stifter-Instituts Linz. Zahlreiche Veröffentlichungen.

1Jede Familie ist auf ihre Weise seltsam


Eine Nazifamilie! Reden wir nicht drum herum! Diese Familie ist eine Nazifamilie! – So wird es auch diesmal enden, dachte Dietrich, hämisch eingeigelt in sein böses Vorvergnügen. Wie jedes Jahr zur Sommersonnenwende werden spätabends am Lagerfeuer die Aversionen des Pernauer Germanenbluts hochkochen und die braune Brühe zum Überlaufen bringen. Und wieder einmal wird es der alkoholisierte Reinhard sein, der nach turbulentem Gespräch unter dem Sternenhimmel hohnlachend verkünden wird: Diese Familie ist eine Nazifamilie! Mutti wird aufschluchzen. Joachim wird seinen ungezogenen kleinen Bruder väterlich maßregeln: Schweig jetzt, Reinhard, du hast getrunken! Aber Reingard wird ihrem hassgeliebten Zwillingsbruder therapeutisch beispringen: So lass ihn doch! Das muss raus aus ihm! Soll er daran ersticken?

Nazifamilie, dachte Dietrich, das ist doch übertrieben, aber wir lassen sie nicht verdunsten, unsere gruselige Aura, obwohl die drei Parteigenossen Onkel Heinz, Tante Berta und Opa schon seit Jahren vor sich hinstauben in ihren Urnen. Ich glaube, wir brauchen das. Nazifamilie. Huh! Auch das Böse gibt Profil.

Böse war Opa eigentlich nicht. Nach Dietrichs Einschätzung war er der Harmloseste im braunen Trio, ein glühender Nazi der ersten Stunde zwar, wie er freimütig bekannte, mit siebzehn schon Illegaler, aber nie mehr als ein einfaches Parteimitglied. Im Krieg wurde der Medizinstude