Nachher und vorher
Man sollte meinen, dass man weiß, wie sich Mörder anhören.
Dass ihre Lügen eine andere Textur haben, kaum wahrnehmbar. Eine Stimme, die schwerer, schärfer und unsteter wird, wenn die Wahrheit unter die rissigen Ränder gleitet. Das würde man denken, oder nicht? Jeder glaubt, er würde es erkennen, wenn es drauf ankommt. Aber Pip hatte es nicht erkannt.
»Es ist eine Tragödie, was am Ende geschehen ist.«
Sie saß ihm gegenüber, sah in seine freundlichen Augen mit den Krähenfüßen, ihr Handy zwischen ihnen, das jeden Laut, jedes Luftholen und Räuspern aufzeichnete. Sie hatte ihm alles geglaubt, jedes Wort.
Pip glitt mit den Fingern über das Touchpad und spulte die Audioaufnahme wieder zurück.
»Es ist eine Tragödie, was am Ende geschehen ist.«
Elliot Wards Stimme erklang wieder aus den Lautsprechern und füllte das verdunkelte Zimmer. Füllte ihren Kopf.
Stopp. Klick. Wiederholen.
»Es ist eine Tragödie, was am Ende geschehen ist.«
Sie hatte es sich an die hundert Mal angehört. Vielleicht sogar tausendmal. Und da war nichts, kein Hinweis und keine Veränderung, als er zwischen Lügen und Halbwahrheiten hin und her wechselte. Der Mann, der für sie mal beinahe eine Vaterfigur gewesen war. Andererseits hatte auch Pip gelogen, nicht wahr? Sie konnte sich einreden, dass sie es getan hatte, um die Leute zu schützen, die sie liebte, aber war das nicht genau derselbe Grund, den Elliot angegeben hatte? Pip ignorierte die Stimme in ihrem Kopf; die Wahrheit war ans Licht gekommen, das meiste davon, und daran musste sie sich klammern.
Sie machte weiter, spielte den nächsten Teil, bei dem sich ihr die Härchen an den Armen aufstellten.
»Und denkst du, dass Sal Andie umgebracht hat?«, fragte Pips Stimme aus der Vergangenheit.
»… er war so ein liebenswerter Junge. Aber wenn man an die Beweise denkt, wüsste ich nicht, wie er es nicht gewesen sein sollte. Nein, so falsch, wie es sich anfühlt, denke ich wohl eher, dass er es getan haben muss. Es gibt keine andere Erklärung …«
Pips Tür wurde schwungvoll geöffnet.
»Was machst du?«, unterbrach sie eine Stimme, die sich zum Ende spöttisch hob, weil er verdammt gut wusste, was sie tat.
»Du hast mich erschreckt, Ravi«, antwortete sie genervt und schaltete rasch auf Pause. Ravi musste Elliot Wards Stimme nicht hören. Nie wieder.
»Du hockst hier im Dunkeln und hörst dir das an, aberich bin der Gruselige?« Ravi schaltete das Licht ein. Der gelbe Schein spiegelte sich in dem dunklen Haar, das ihm in die Stirn fiel. Er zog diese Grimasse, die nie ihre Wirkung verfehlte, und Pip grinste, weil sie nicht anders konnte.
Sie rollte von ihrem Schreibtisch zurück. »Wie bist du überhaupt reingekommen?«
»Deine Eltern und Josh waren gerade mit einer sehr eindrucksvollen Zitronen-Tarte auf dem Weg nach draußen.«
»Ach ja«, sagte sie. »Sie sind auf Nachbarnbegrüßungstour. Ein junges Paar ist gerade in das Haus der Chens weiter hinten eingezogen. Mum hat für sie gebacken. Die Greens … oder die Brow