Die Amtseinführung der neuen Polizeidirektorin Elisabeth Schwarz ging gründlich schief. Was erstens daran lag, dass Rupert sie als Alice Schwarzer begrüßte und dann noch Wellers Handy während ihrer GrundsatzredePiraten Ahoi! spielte.
Das alles hätte sie vielleicht noch professionell weggelächelt, aber dann explodierte draußen auf dem Parkplatz am Fischteichweg in Aurich Dirk Klatts Auto. Er saß zum Glück nicht drin, sondern flanierte am ostfriesischen Büffet vorbei und wog ab, was dagegensprach, erst Lamm und dann Fisch zu essen. Vielleicht würde er dafür den Nachtisch weglassen, obwohl die Rote Grütze mit Vanillesoße sehr gut aussah. Er, der Hesse, hatte sich inzwischen sogar an Matjes gewöhnt und in den letzten Monaten fünfzehn Kilo abgenommen.
Seinen Hals zierte eine lange Narbe. Die Stiche, mit denen die Wunde vernäht worden war, wirkten wie Tätowierungen. Für Rupert sah er jetzt noch mehr nach Frankensteins Monster aus, aber das sagte Rupert nicht.
Gleichzeitig mit der Amtseinführung sollte Martin Büschers Verabschiedung in den Ruhestand gefeiert werden. Rupert hatte auf seine ureigene Art versucht, Büscher davon abzuhalten: »Martin«, hatte Rupert gesagt, »überleg dir das mit der Pensionierung noch einmal. Einen gefährlicheren Job als den eines Rentners kenne ich nicht.« Nach einer Pause hatte er hinzugefügt: »Kaum einer überlebt das wirklich.«
Martin Büscher zu Ehren wollte der Polizistinnenchor singen, der es durch seine EigenkompositionSupi, dupi, Rupi zu ziemlicher Berühmtheit gebracht hatte. Der Song war als Spottlied auf Rupert gedacht gewesen. Ein Spaß – mehr nicht –, doch irgendwer hatte bei den Proben wohl ein Handy mitlaufen lassen. Seitdem geisterte der Song durchs Internet. Inzwischen gab es verschiedene Cover-Fassungen, die von Bands gesungen wurden.
Zum Auftritt des Chors kam es aber nicht mehr. Frau Schwarz, die vierundfünfzig Jahre alt war, nach eigenen Aussagen zwei Ehen und zwei tödliche Krankheiten überlebt hatte, brach ihre Rede kurz nach der Detonation ab. Sie hatte, wie viele der Anwesenden, für einen Moment die Hoffnung gehabt, der Lärm könne etwas mit den Bauarbeiten imCaro zu tun haben. Das Einkaufszentrum lag direkt neben der Polizeiinspektion. Manchmal ließen sie sich von dort asiatisches Essen kommen oder holten sich in den Pausen einen Döner.
Als die Ersten nach draußen strömten, knüllte die neue Polizeidirektorin den Zettel zusammen, auf dem sie die Zahlen für ihren Vortrag festgehalten hatte. Sie wollte eigentlich frei reden, doch bei Zahlen war sie penibel. Sie hatte Respekt vor der hohen Verantwortung, die sie jetzt für die einundzwanzig Dienststellen und die vierhundertzwanzig »Bediensteten« hatte. Sie war jetzt für eine Viertelmillion Einwohner verantwortlich, und wenn die Urlauber kamen, wuchs die Zahl rasant an. Aurich, Wittmund, Esens, Norden, Wiesmoor und die Inseln. All das wollte sie aufzählen, und sie hatte lange darüber nachgedacht, ob sie Polizistinnen und Polizisten sagen sollte oder lieber Polizist:innen. Im Grunde fand sie das Gendern richtig. Aber es sah dämlich aus und hörte sich verkrampft an. Das Wort Kolleg:innen ging ihr nur schwer über die Lippen, darum sagte sie jetzt »Bedienstete der Polizei«. Aber das hörte sich ein bisschen nach Servicekräften an, so als würde hier gekellnert und man könnte bei der Polizei ein Schnitzel mit Pommes bestellen.
Sie wollte so gern alles richtig machen und von allen gemocht werden. Nun stand sie kreidebleich neben Ann Kathrin Klaasen auf dem Innenhof zwischen Glasscherben und Autoschrott. Statt eine feierliche Rede zu halten, blieb ihr nur noch der schlichte Satz: »Jemand führt Krieg gegen uns.«
Ann Kathrin Klaasen sah gar nicht so aus, wie Elisabeth Schwarz sie sich vorgestellt hatte. Sie kam ihr unscheinbar vor. Nicht Lichtgestalt, sondern eher verhuscht. Nicht extrovertiert, auf Wirkung bedacht, sondern nachdenklich. Ruhig. Natürlich kannte sie Fotos der legendären Kommissarin, hatte Aussc