: Jenny Schon
: Das Seidenbrokatsofa Roman
: Dittrich Verlag
: 9783947373819
: 1
: CHF 4.50
:
: Erzählende Literatur
: German
: 252
: kein Kopierschutz
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Der Geist der 70er Jahre Die Sinologie-Studentin Betty Pütz erlebt eine aufregende Zeit, und sie ist offen für neue politische Ideen, aber auch alternative Lebensformen und Beziehungen. Sie besucht Konzerte von Jimi Hendrix und Rio Reiser auf Fehmarn. In der Lüneburger Heide, der Heimat ihres Freundes John, wird das Leben in einer Kommune erprobt. Die von Diktatoren befreiten Länder Portugal und Griechenland bilden den Hintergrund für leidenschaftliche Liebschaften. In West-Berlin ist Betty Teil eines Buchladenkollektivs. Hier erlebt sie aus erster Hand, was es bedeutet, wenn politische Gruppierungen den Buchladen besetzen wollen - die Anfänge der RAF. Betty kann als erste Studentin nach der Kulturrevolution in die VR China reisen. Sie schreibt ein Buch und kehrt für Lesungen immer wieder in die Lüneburger Heide zurück. Johns Mutter, Gräfin genannt, stellt Betty ihr kostbares Seidenbrokatsofa zur Verfügung: Es wird zum Ausgangspunkt vieler Geschichten, die Betty ihr an langen Abenden erzählt. Ein Roman über ein schillerndes Jahrzehnt voller Umbrüche.

Jenny Schon ist gelernte Buch- und Kunsthändlerin. Sie studierte Sinologie, Publizistik, Philosophie und Kunstgeschichte. Sie hatte Lehraufträge für chinesische Philosophie und ist Autorin von Fachbüchern, Prosa und Lyrik. 2016 erhielt sie den Andreas-Gryphius-Preis für ihr Lebenswerk. Der im Dittrich Verlag erschienene Roman »Der Duft der Bücher« wurde mit dem Preis »Aufstieg durch Bildung« ausgezeichnet.

Der erste Brief


Ich falle gleich mit der Tür ins Haus, liebe Betty, schreibt John, kaum, dass ich wieder in Berlin bin.

Das mit dem Kind war ein bisschen schroff und direkt, so sind wir hier in der Heide eben, das will ich nicht entschuldigen. Ich möchte so gerne mit dir befreundet sein, aber nicht gebunden – ist das möglich, so eine Freundschaft? Wenn ich dich verlieren würde, wär’s mir traurig ums Herz. Verstehst du das? Ich würde dich gerne wieder sehen, zu Silvester, da spielen meine Heidschnucken wieder dein geliebtes »With a Little Help from My Friends«. Kommst Du?

PS. Übrigens auch auf ausdrücklichen Wunsch meiner Mutter. Die fand dich sehr mutig und echt. Das Sofa hat jetzt eine dicke Decke, um es zu schützen.

Meine Antwort folgt postwendend:Ja! Betty.

Einen Tag vor Silvester holt mich John am Bahnhof ab. Es ist neblig. Fahr bitte vorsichtig, sage ich, ich bin schnelles Fahren in Berlin nicht gewohnt.

Er hält auf dem Heideparkplatz und schaltet das Licht aus. Nebelschwaden schleppen sich um unseren mit Wacholderbüschen bewachsenen Parkplatz und scheinen sich mit ihnen paaren zu wollen. John umarmt mich heftig. Schon lange, fast zu lange habe ich gewartet, dich wieder berühren zu dürfen, liebe, liebe Betty. Er dringt in mich, heiß und sehnsüchtig und ich genieße, genieße diese Wärme, trinke seinen rauchigen Atem, und nochmal diese Wärme in mir. Ich bin atemlos. Auch er atmet stark. Dann sagt er: Ich habe deinen Rotwein wieder besorgt. Lass uns hier schlafen, fernab von all den Sorgen, die mich auf dem Hof erdrücken. Er hat, von mir angeregt, einen großen Flokati im Auto. Wir wickeln uns ein und wir trinken und rauchen und lieben uns, als wäre am nächsten Tag Weltuntergang. Als wir aufstehen, sind die Scheiben gefroren, wir müssen kratzen, innen und außen. Wir hatten den ersten Nachtfrost.

Am Abend spielen die Jungs wieder im Schafstall, und weil offenes Feuer auf dem Hof verboten ist, fahren wir alle zum Truppenübungsplatz, wo die Bundeswehr ein großes Feuerwerk macht. Ole hat seine Trompete mitgebracht und er trompetet um Mit