Aus dem Dunkel des Zeltes schimmerte ein großer goldener Ball, den zwei unendlich schmale, langfingrige Frauenhände hoben. Die hennarot bemalten Fingernägel leuchteten wie zehn sanft gewölbte Purpurscheiben, die sich zärtlich an das Gold der Kugel schmiegten.
Lange schlanke Arme stützten diese zärtlichen Hände, Schultern von graziler Zerbrechlichkeit tauchten empor, und dann hob Amira den bisher tief gesenkten Kopf: zwei Sterne strahlten im Glanz der Augen auf. Harte, flimmernde Polarlichter, wie sie sich in der gläsernen Fläche treibender Eisschollen spiegeln.
Man sah zunächst nur die Augen in dem schmalen Gesicht. Messerscharf war der Rücken der gebogenen Nase, tiefe Schatten warfen die langen Wimpern unter den fadendünnen hochgewölbten Bogen der Brauen. Wie ein korallenroter Kelch glühte der Mund.
Wie gebannt starrte Gregor auf dieses ihm völlig neue Schauspiel. Er fühlte, wie die Innenflächen seiner Hände feucht wurden, wie ein ihm bislang unbekannter Schauder seinen Rücken hochkroch Ein wohliger Schauder, ein heißes Begehren.
Er war immerhin 26 Jahre alt, zukünftiger Erbe und Majoratsherr auf Tautenburg und den Freuden des Lebens niemals abgeneigt gewesen. Mußte er – ein welterfahrener, weitgereister Mann – erst in dieses abgelegene Bosnien kommen, um solch ein faszinierendes Gefühl zu erleben?
Flüchtig dachte Gregor an Paris, an den Lido, den Montmartre, die schönen Damen der Folies Bergere. Er dachte an Morena und den Luxusstrand von Copacabana, an die heißen Nächte mit Leila auf einem Hausboot im Nil nahe der Königspyramiden und an Carmen in Tarragona.
Doch Schemen gleich verschwammen diese Gesichter, diese Augen, diese Lippen. Immer wieder war es Amira, die ihn ansah. Nur Amira. Sie schien ihn mit magischer Kraft in ihren Bann zu ziehen.
Die vergoldete Kugel flog auf die Plattform, wo sie auf dem dicken Filz des Teppichs liegenblieb. Ein unmerkliches Zusammenziehen des Körpers, und Amira stand auf dem schwankenden Gerüst im grellen Schein des Pechfeuers, das in vier Bronzebecken auf den Tragpfosten brannte.
Schlank und schwankend stand die Tänzerin wie ein geschmeidiges Schilfrohr. Die Hüften waren von einem elastischen Metallgürtel umschlossen, der durchsichtig vielgefältelte Rock fiel vom Gürtel bis auf die Füße herab und ließ so die zarte Straffheit der langen Schenkel erkennen.
Der Oberkörper war nackt bis auf die geflochtenen Metallbänder, die die kleinen Brüste bedeckten. Aus der Kupferhaube, die sich seitlich in gedrehte Widderhörner ausbauchte, hingen die blauschwarzen Haare in Zöpfen, hart über den Schläfen angeflochten, bis auf die Hüften herunter. Sie wurden zu zuckenden Schlangen, jede Bewegung des Körpers im Tanz begleitend.
»Ist sie nicht schön, mein holdes Täubchen?« erkundigte sich Soltan Ubrenowitsch bei seinem hochwohlgeborenen Gast, wobei er Gregor in eine Wolke von Knoblauchduft hüllte.
»Märchenhaft!«
»Tja, Euer Gnaden, das haben schon viele vornehme Herren erkannt.« Soltan zwirbelte seine Schnurrbartenden ganz wohlgefällig nach oben. »Aber ob Sie es glauben oder nicht, Euer Gnaden, mein Täubchen Amira ist unzugänglich für jeden Mann wie eine unerforschte Grotte.«
Gregor nickte ohne hinzuhören.
»Sie ist jetzt schon fast siebzehn, und ich frage mich als ihr Onkel und Vormund, ob es nicht wirklich langsam Zeit wird, für mein Täubchen einen Freier auszuwählen, Euer Gnaden.«
»Gewiß, mein Freund, gewiß.«
Jetzt stand Amira mit einem kleinen Sprung auf der Kugel, die sich sogleich in Bewegung setzte – einzig durch die geschickte Gewichtsverteilung des Körpers vorwärtsgetrieben. Die Töne von Alis Flöte geisterten über die Menge, die – atemlos Kopf an Kopf gedrängt – dem Gleiten der Kugel folgte.
»Natürlich müßte es ein Mann von Rang und Namen sein, Euer Gnaden«, nahm Soltan Ubrenowitsch das Gespräch wieder auf, wobei er tief an seiner Wasserpfeife zog und nur einen kurzen Blick an Amira verschwendete. »Unser Geschlecht ist alt und… sehr vornehm. Auch einigermaßen wohlhabend. So etwas verpflichtet.«
»Gewiß, mein Freund, gewiß!«
Plötzlich kreischte die Flöte in grellen Dissonanzen, die Kugel begann zu springen, sie vollführte kunstreiche Figuren, und die Tänzerin glitt in reizvoller Beweglichkeit über das goldene Rund.
Sie schwebte seitlich, sprang mit der Kugel, berührte den Boden und erreichte mit spielerischer Anmut das schnell dahinrollende Gold aufs neue, um es in jähem Erstarren plötzlich festzuhalten.
Dann ließ sie die Kugel in rasendem Tanz sich um sich selber drehen, daß der Blick nur mehr ein goldenes Schimmern erhaschen konnte wie den Lichtschweif eines dahinziehenden Kometen. Wie e