: Margot Käßmann
: Vergebung - Die befreiende Kraft des Neuanfangs
: bene! eBook
: 9783963401589
: 1
: CHF 17.00
:
: Lebensführung, Persönliche Entwicklung
: German
: 192
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Die bekannte Theologin Margot Käßmann weiß, wie schwer es ist, zu vergeben, wenn einem Unrecht getan wurde. Und doch ist es der einzige Weg, Frieden zu finden. Denn die Wut und der Schmerz schaden vor allem uns selbst - und nicht dem Täter oder der Täterin. In diesem Buch zeigt die Bestseller-Autorin Wege auf, wie Vergebung gelingen kann. Gerade als Christinnen und Christen dürfen wir wissen: Am Ende leben wir alle von Vergebung! Vergeben zu können ist eine der schwierigsten Herausforderungen, vor der wir stehen. Jeder Mensch erfährt im Laufe seines Lebens Leid, das ihm andere Menschen zufügen. Manchmal ist der Groll so stark, dass er uns zu überwältigen droht: die Verletzungen beim Scheitern einer Ehe, der Ärger über den Bruder, der uns tiefes Unrecht zugefügt hat. Oft bemerken wir das überwältigend negative Gefühl erst, wenn es schon zu spät ist: ein Elternteil ist verstorben, und wir spüren ungeklärte Konflikte, die uns auf der Seele lasten. Der innere Friede geht verloren, und stattdessen bestimmen uns Wut und Ärger. Einfühlsam vermittelt Margot Käßmann, wie es gelingen kann, zu verzeihen und sagt: »Auch wenn es uns sehr schwer fällt zu verzeihen: Immer wieder habe ich erfahren, wie gut es tut, wenn es gelingt. Nur so können wir wieder frei werden!«

Margot Käßmann, Jahrgang 1958, ist eine der bekanntesten kirchlichen Persönlichkeiten Deutschlands. In und nach ihrer Zeit als hannoversche Landesbischöfin und Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland gewann sie mit ihrer offenen und geradlinigen Art die Wertschätzung und Sympathien vieler Menschen. Sie ist Mutter von vier erwachsenen Töchtern und Großmutter von sieben Enkelkindern.

Den eigenen Eltern vergeben


Der Mann hat seine Kindheit in schrecklicher Erinnerung. Er war der Älteste von fünf Geschwistern, sie lebten in einer engen Dreizimmerwohnung. Der Vater trank ständig zu viel Alkohol, verlor dadurch immer wieder den Arbeitsplatz. Das Geld war permanent knapp, so lange er denken kann. Am schlimmsten aber war, dass der Vater unberechenbar daherkam. War er betrunken, konnte er weinerlich sein oder plötzlich brutal zuschlagen. Es gab Schläge mit der Hand, mit der Faust, mit dem Gürtel – für die Kinder, aber auch für die Mutter. Der Junge war völlig verzweifelt. Der Vater war ihm kein Vorbild, die Mutter konnte er nicht wirklich schützen, die kleinen Geschwister nur ab und an. Zweimal floh er mit Mutter und Geschwistern ins Pfarrhaus. Der Pfarrer versuchte, mit dem Mann zu reden, aber es änderte sich nichts. Als der Vater früh starb, konnte der Junge, der inzwischen ein junger Mann war, keine Trauer, sondern nur Erleichterung empfinden. Er hasste seinen Vater für das, was er ihm in seiner Kindheit angetan hatte.

Inzwischen ist aus dem Jungen von damals ein älterer Mann geworden. Jahrzehnte konnte er nur mit Bitterkeit und Verachtung an seinen Vater denken. Inzwischen kommen andere Fragen. Warum war der Vater so? Was hat er als junger Soldat im Krieg erlebt?

Ihm wurde klar, dass er eigentlich so gut wie gar nichts über den Vater wusste, Gespräche über persönliche Fragen hatte es nie gegeben.

Wenn er all das betrachtet, wird der Mann rückblickend milder, verständnisvoller. Wirkliche Vergebung ist das noch nicht, aber es sind Schritte auf dem Weg dahin. Die Gedanken an den Vater werden versöhnlicher. Er versucht, ihn zu verstehen.

Vergebung kann ein langer Prozess sein. Sie ist kein Vorgang, der plötzlich geschieht. Mein Eindruck ist: Wenn wir älter werden, stellt sich tatsächlich das ein, was »Altersmilde« genannt wird. Wir können eher nachvollziehen, warum die Eltern damals auf eine bestimmte Art und Weise gehandelt haben. Das bedeutet nicht, dass etwa das brutale Prügeln eines Vaters gerechtfertigt wird. Es geht eher darum, sich in die Person hineinzuversetzen, um das Geschehen zu begreifen.

*

Ich habe mit großem Interesse die Bücher von Sabine Bode – über Kriegskinder, Nachkriegskinder, Kriegsenkel – gelesen. Sie schreibt: »Wie nicht anders zu erwarten, ist der Blick der Nachkriegskinder auf die Eltern, die häufig schon tot sind, milder geworden. Man zeigt Verständnis für deren Entsetzen über lange Haare, kurze Röcke, laute Musik und Knutschen in der Öffentlichkeit. Keine Frage, man hat den kaum vom Krieg erholten Erwachsenen viel zugemutet. Aber bereut wird es nicht. Die Zeit war überreif, darum war die Veränderung so radikal …«1 Ich kann das inzwischen gut nachvollziehen.

Die Jahre ab1945 waren für die große Mehrheit der Deutschen entsetzlich schwer. Millionen hatten ihre Heimat verloren, nahezu jede Familie hatte Tote oder Vermisste zu betrauern, die Städte waren zerstört, die Winter waren hart, es ging ums Überleben. So fühlten sie sich als Opfer des Krieges, vielleicht auch der Nationalsozialisten, und konnten schlicht keinen Blick auf eigene Schuld werfen. Nach den Schrecken des Krieges ging es um Wiederaufbau, Nach-vorn-Schauen, das Leben genießen, so gut das möglich war. »Nur nicht zurückblicken«, war für viele die Devise.

Und gleichzeitig waren die Menschen natürlich geprägt von der Ideologie des Nationalsozialismus. Ehre, Pflicht, Treue – damit waren sie aufgewachsen. Der1934 erschienene und in Millione