Eine deutsche Gastwirtin
Es war eine jener Vorherbestimmungen, die die Menschen »glückliche Zufälle« nennen, die dazu führte, dass ich Fräulein Hahlreiner kennenlernte. Eine leichthin gestellte Frage an eine Zufallsbekanntschaft während einer Bahnreise, und einen Augenblick später war jener Name ausgesprochen, der mir nun ewig im Gedächtnis bleiben und das Bild der besten, liebsten und fröhlichsten Gastwirtin in ganz Deutschland vor Augen stellen wird.
Zwei hohe Treppenfluchten, wie sie sonst lediglich die Opfer der Monarchie zu erklimmen bereit wären, plagten wir uns hinauf, bis wir sie fanden. Eine Brise guter Laune empfing uns schon beim ersten Öffnen der Tür.
»Ist Fräulein Hahlreiner da?«
»I am she [Das bin ich]«, kam es lachend aus breiten, roten Lippen hervor, und ein Zwinkern lag in ihren hübschen braunen Augen. Die Zimmer waren genau, wie wir sie wünschten. Wer hätte, als wir traurig aus dem geliebten Tirol abreisten, glauben mögen, dass mitten im Herzen von München genau die Betten, sonnigen Fenster, belebten Wohnzimmer warteten, die zu uns passten?
Es bedurfte nur weniger Worte, um alles abzumachen, und weniger Stunden, um einzuziehen. Binnen eines Tages fühlten wir uns ganz wie zuhause, und das runde, mütterliche Fräulein verstand uns, als hätte es uns bereits in der Wiege umsorgt. Wie ihre Anwesenheit das ganze Stockwerk erfüllte! Sie besaß dreizehn Zimmer. Ein deutscher Baron mit Frau und zwei Kindern, denen er zwölf Stunden am Tag etwas vorpfiff, -schrie und -sang wie ein riesiger Bobolink auf einer Wiese, hatte einige der Zimmer. Zwei geheimnisumwitterte Frauen aus Ungarn, die verschwiegen, würdevoll und ruhig waren und Abenddiners gaben, lebten in der Eckseite, und wir hatten den gesamten Rest, abgesehen von Küche, Speisekammer und Schlafzimmer des Fräuleins.
Es ist wundervoll, wie rasch es völlig natürlich erscheint, wenn Wohnzimmer und Küche einander gegenüberliegen, unbekannte Nachbarn auf der anderen Seite der Schlafzimmerwand leben, das Geschirr auf dem Dielentisch gespült wird und man Kohlen und Menschen durch dieselbe Tür hereinkommen sieht. Wenn wir dies in New York zustande brächten, gäbe es weniger Todesfälle vor lauter Anstrengung, etwas daherzumachen.
Kein Künstler hat je eine Fotografie von Fräulein Hahlreiner aufgenommen, und ich kann es leider auch nicht tun. Was ich sagen kann ist, dass sie etwa 1.70 m groß war und dick in einem Ausmaß, das Rubens so gerne gemalt hat; sie war zweiundfünfzig Jahre, sah aber nicht älter aus als vierzig; sie hatte haselnussbraune Augen, die ständig lachten, eine hohe, helle Stirn, zwei Grübchen in ihrer linken Wange, die niemals stillstanden, und Haar, das so lebendig war wie ihre Grübchen, zu lang, um kurz genannt zu werden, zu kurz, um lang genannt zu werden – und immer wogte es nach hinten in der Luft, wenn sie auf einen zukam; zu wichtigen Gelegenheiten ließ sie sich beim Friseur Löckchen machen – die einzige Eitelkeit, die ich je beim Fräulein festgestellt habe; freilich waren sie so kurzlebig, dass man ihr ihre kleine Schwäche gleich wieder vergab, die Löckchen hielten niemals länger als zwei Stunden. Trotz ihrer Beleibtheit war ihr Gang elastisch und leichtfüßig, und ihre Hände und Füße waren wohlgeformt; ihr gebrochenes Englisch erschien mir die reizendste, komischste, beredteste Sprache, die ich je gehört habe. Unser Mittagessen kochte sie uns um zwei, um fünf ging sie für uns oder mit uns einkaufen, um acht löste sie bei uns durch allerlei unerwartete P