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Hobart, 1999
Sally saß auf dem völlig überfüllten Flughafen dicht neben Jessica; beide Mädchen baumelten mit den Beinen und blickten zu Boden.
»Ich bin so sauer. Das ist nicht fair. Warum muss dein Dad denn umziehen?« Sally wand sich ein paar Haarsträhnen um den Finger und zwirbelte die Enden.
»Sal, hör auf, deine Haarspitzen zu ruinieren. Du weißt doch, dass es wegen seinem Job ist«, antwortete Jessica. »Wir werden immer Freundinnen bleiben. Du kommst mich besuchen, und Mum sagt, dass wir ab und zu herkommen, um uns mit unserer Familie zu treffen. Was meinst du denn, wie’s mir geht?«, setzte sie ärgerlich hinzu. »Ich muss ganz von vorn anfangen! Eine neue Schule, keine Freunde. Das stinkt mir ganz schön. Und ich werde nie wieder eine allerbeste Freundin haben wie dich. Du stehst mir näher als irgendwer sonst. Mehr als eineSchwester.«
»Na, zumindest hast du einen Bruder, auch wenn er erst sieben ist. Ich habe niemanden außer Mum und Dad. Himmel, wir sind Teenager, Jess, jeder sagt, dass das die härteste Zeit in unserem Leben ist. Und da ziehst du weg.« Sally schmollte.
»Ich weiß, aber was soll ich machen? Es ist schrecklich. Gib nicht mir die Schuld, Sal.«
Die beiden Teenie-Freundinnen blickten hinüber zu einem Tisch in der Nähe, wo Jessicas Eltern, ihr Bruder Anthony und Sallys Mutter Mollie saßen.
»Und denk daran, mich anzurufen und mir zu schreiben. Du hast es versprochen.«
»Klar doch. Du auch.«
»Für mich ist es schlimmer, ich sitze hier fest«, maulte Sally. »Auf dich warten Abenteuer oder zumindest neue Erfahrungen.«
»Aber sicher doch! Als ob ich in einer Großstadt viel Spaß hätte! Mir fehlt unsere Farm schon jetzt.«
»Sydney ist garantiert interessanter als das hier … oh, da kommt deine Mum«, sagte Sally.
»Tut mir leid, Mädchen, aber es ist Zeit,au revoir zu sagen. Nichtadieu. Zu Weihnachten sind wir bestimmt wieder hier. Und ich habe mit deiner Mutter besprochen, dass du uns gerne nächstes Jahr während der Olympischen Spiele besuchen kannst, Sal. Wäre das nicht toll?« Mrs Foster beugte sich zu Sally hinunter und gab ihr einen Kuss, dann musterte sie die beiden. »Ihr werdet immer Freundinnen bleiben. Ihr seid zusammen aufgewachsen, das schweißt auf ganz besondere Art zusammen. Und jetzt stellt euch mal hierher, damit wir ein Foto machen können.«
Brav standen die Mädchen nebeneinander, sie hatten sich die Arme um die Schultern gelegt und ein starres Lächeln im Gesicht. Als sich dann die beiden Mütter umarmten und Jessicas Vater und Bruder zum Abschied winkten und zur Boarding-Schranke gingen, umklammerten sich die beiden Mädchen, und Tränen liefen über ihre Wangen. Mit ihren vierzehn Jahren hatte jede der beiden das Gefühl, dass sie nie, nie wieder eine so gute Freundin haben würde.
Dann stand Sally neben ihrer Mutter, und beide sahen zu, wie das Flugzeug langsam davonrollte.
»Ich werde schrecklich einsam sein«, jammerte Sally.
»Sal, du hast jede Menge Freundinnen und Freunde«, erwiderte ihre Mutter. »Für Jess wird es viel härter werden, sie kennt niemanden in Sydney. Komm jetzt, wir müssen heim zu Dad.«
Die Zeit verstrich, doch die beiden Mädchen blieben beste Freundinnen, auch als sie unterschiedliche Wege einschlugen und sich nur noch alle paar Jahre sahen. Sie wussten, dass ihre Freundschaft unverbrüchlich war und stets Bestand haben würde.
Und wie Jessicas Mutter gesagt hatte: Die gemeinsame Kindheit hatte ein besonderes Band zwischen den beiden geschmiedet, vielleicht auch durch die Abgeschiedenheit des kleinen tasmanischen Ortes, in dem sie aufgewachsen waren. Damals hatten sie ihre Heimat an der Südostküste der Insel als nichts Besonderes betrachtet, doch als Erwachsene erkannten sie, dass sie in einem magischen Abenteuerland aufgewachsen waren. Hier waren sie durch Wal