: Barbara F. Walter
: Bürgerkriege Warum immer mehr Staaten am Abgrund stehen
: Hoffmann und Campe Verlag
: 9783455015119
: 1
: CHF 15.20
:
: Politik
: German
: 320
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
 Wie wird ein Staat zu seinem eigenen Kriegsschauplatz?   Immer häufiger kommt es rund um den Globus zu Bürgerkriegen. Barbara Walter ist eine der renommiertesten Expertinnen auf diesem Gebiet. Ihr Buch ist ein Weckruf - ganz besonders für die westliche Welt.  Ein Bürgerkrieg kommt immer scheinbar überraschend - und er kostet Tausende das Leben, zerstört Gesellschaften und die Zukunft von Millionen Menschen. Barbara Walter forscht seit Jahrzehnten zu der Frage, welches die wiederkehrenden Muster sind, die auf eine baldige Eskalation in einer Gesellschaft hindeuten. In den USA ist Barbara Walter bekannt als Mahnerin, die gesellschaftlichen Risse zu kitten, bevor es zu spät ist. Nicht erst seit dem Sturm auf das Kapitol gehört sie zu den gefragtesten Expertinnen im Land. Ausgehend von verschiedenen Bürgerkriegen auf der ganzen Welt erklärt sie in 'Bürgerkriege' fundiert und anschaulich, unter welchen Umständen Staaten in Aufruhr und Chaos abgleiten. Ihre Erkenntnisse sind ebenso erhellend wie alarmierend.

Barbara F. Walter lehrt Internationale Beziehungen an der University of California und ist Mitglied des Foreign Relations Councils der USA. Sie wurde für ihren Politik-Blog ausgezeichnet und schreibt u.a. für die Washington Post und das Wall Street Journal. Für ihre Arbeit wurde sie u.a. von der National Science Foundation und dem United States Institute of Peace ausgezeichnet.

Einleitung


Adam Fox schlug den Teppich beiseite und öffnete die Falltür, die in den Keller des Staubsaugerladens namens Vac Shack in Grand Rapids, Michigan, führte.[1] Der Siebenunddreißigjährige lebte mit seinen zwei Hunden im Keller unter dem Laden, nachdem ihn seine Freundin rausgeworfen hatte. Der Besitzer, ein Freund von ihm, hatte ihm dies als Zwischenlösung angeboten, bis er wieder auf eigenen Füßen stehen konnte.

Der Raum war mit Aktenschränken, Transportboxen für Hunde und Ersatzteilen von Staubsaugern zugerümpelt. Fox war ein vom Leben enttäuschter Mann – und das nicht nur, weil er kein richtiges Zuhause mehr hatte. Er war nicht zum ersten Mal ganz unten angekommen. Schon nach dem Abschluss der Highschool hatte er nur mit Mühe seinen Weg gefunden und sich mit Gelegenheitsaufträgen von Vac Shack knapp über Wasser gehalten. Er hegte einen tiefen Groll gegen die Führung der Demokratischen Partei, der er die Schuld an seiner Misere gab, und ließ in Tweets über Barack Obama und Nancy Pelosi des Öfteren Dampf ab. Erst vor kurzem hatte er in einer örtlichen Miliz ein paar Gleichgesinnte gefunden, doch schon bald wurde er dort wegen seiner Tiraden gegen die Regierung und Streitereien mit anderen Mitgliedern wieder rausgeworfen.

Und nun wütete da draußen auch noch Corona. Detroit und Grand Rapids hatte es so hart getroffen, dass Michigans Gouverneurin Gretchen Whitmer eine Ausgangssperre über den Bundesstaat verhängt hatte.[2] Sie erstreckte sich auch auf ländliche Gebiete, in denen es nur wenige Coronafälle gab. Ende April, nach einer weiteren Runde von Beschränkungen, warf sich Fox in eine Kampfweste, setzte sich eine Baseballkappe auf und machte sich mit Hunderten anderen Protestlern, viele von ihnen bewaffnet, auf den Weg zum Kapitol in Lansing, der Hauptstadt des Bundesstaats Michigan.[3] Zuvor hatte Fox draußen einer Rede von Mike Detmer zugehört, der sich zu dieser Zeit in den Vorwahlen der Republikaner um eine Kandidatur für dasUS-Repräsentantenhaus bemühte und darüber schimpfte, die Beschränkungen seien unamerikanisch. »Wir stehen in einem Krieg um die Herzen, die Seele, die Traditionen und die Freiheit unseres Staates und unseres Landes«, hatte Detmer erklärt. »Es ist unsere verdammte Pflicht, den Shutdown zu beenden.«[4] Als sich dann Teile der Demonstranten ihren Weg ins Kapitol von Lansing bahnten und versuchten, in den Sitzungssaal des Repräsentantenhauses vorzudringen, war auch Fox dabei.

Doch all das führte zu keinerlei Veränderungen, und je mehr Wochen ins Land gingen, desto rastloser wurde Fox. Im Juni dieses Jahres streamte er live ein Video auf Facebook, in dem er sich über die jüngst erfolgte Schließung der Fitnessstudios beschwerte und Whitmer als »tyrannisches Miststück« titulierte, das von Macht besessen sei.[5] »Ich weiß nicht, Jungs. Wir müssen was unternehmen«, sprach er in die Kamera. Kurz darauf kontaktierte er über Facebook Joseph Morrison, den Anführer einer lokalen Miliz, der Wolverine Watchmen.[6] Morrison soll zugesagt haben, Fox dabei zu helfen, eine neue paramilitärische Gruppe aufzubauen, zu trainieren und zu bewaffnen. Bald scharte Fox weitere Männer für sein Anliegen um sich. Zu jenen, die sich ihm anschlossen, gehörte ein ehemaliger Marineinfanterist, der Orden für Friedenseinsätze und den globalen Krieg gegen Terror erhalten hatte und auch für gute Führung im Marine Corps ausgezeichnet worden war. Ein anderer hatte zuvor eine Grundausbildung bei der Nationalgarde von Michigan be