Sein Leben vollkommen ändern – wie geht das eigentlich? Wodurch wird der Entschluss zu einer Veränderung ausgelöst? Viele Menschen wissen oder ahnen oft schon jahrelang, dass ihre Lebensweise ihnen nicht guttut und dass sie etwas ändern sollten. Aber Verantwortung und Pflichten, die Angst vor dem Unbekannten oder einfach nur die (schlechten) Gewohnheiten sorgen dafür, dass man weitermacht wie bisher. Man hat sich eingerichtet im Beruf und in der Beziehung, mit dem Gesundheitszustand und der Fitness, dem Lebensstandard und dem Kontostand. Es läuft alles mittel bis gut. Und eine Veränderung wäre mit Anstrengungen, Opfern und Schmerzen verbunden.
Um zu wachsen und uns weiterzuentwickeln, brauchen wir den Mut, die ausgetretenen Pfade unseres Lebens zu verlassen und andere Wege zu entdecken. Ich mache mir das gerne mit einem Beispiel aus der Natur klar: Die Raupe war sicherlich gerne eine Raupe, solange sie keine andere Lebensform kannte. Nachdem sie aber ein wunderschöner, bunter Schmetterling mit großen Flügeln geworden ist, will sie sicherlich nicht mehr in ihr Raupendasein zurückkehren. Und der Schmetterling wird sich seiner federleichten Existenz erfreuen, obwohl die Zeit der Transformation im engen Kokon bestimmt nicht angenehm war. Oft muss etwas Einschneidendes passieren, damit man merkt, dass man sich selbst und seine Bedürfnisse aus dem Blick verloren hat. Eine solche »Lebenskrise«, die eine Veränderung erzwingt, kann durch vieles ausgelöst werden: eine Krankheit; eine Trennung; einen schweren Verlust oder auch eine Veränderung der äußeren Lebensumstände wie eine Kündigung. Ich bin überzeugt, dass dieses erzwungene Innehalten, diese Chance zur Neuorientierung der eigentliche Sinn von Krisen ist.
Bei mir war es der Tod meines Opas im Jahr 2015, der mich nach vielen Jahren des Hetzens von einer Karrierestation zur nächsten plötzlich innehalten ließ. Erstmals seit langer Zeit fragte ich mich, was ich eigentlich wirklich will. Ich merkte, dass mein Leben viel zu schnell für meine Seele war:
Nicht nur beruflich hatte ich ordentlich Gas gegeben, sondern auch meine wenige Freizeit füllte ich mit sehr vielen trubeligen Unternehmungen und noch exotischeren Reisen. Die Ereignisse in meinem Leben überschlugen sich andauernd, es ging ohne Pause, eins nach dem anderen, ohne große Vorbereitung und ohne Möglichkeit, es nachzubereiten und zu spüren oder zu feiern. Wann, so fragte ich mich, kann ich einfach mal durchatmen? Wann soll ich wachsen und blühen? Wann ausruhen?
Im Jahr 2015 war ich ziemlich überarbeitet. Das bekam ich aber nicht mit, weil sich das Hamsterrad so schnell drehte und so schön schnurrte. Dass ich selbst es war, die das Ding antrieb, ignorierte ich. Dabei fühlte ich mich oft ausgepresst wie eine Orange. Und zwar von mir selbst. Aber das allein genügte noch nicht, um mir selbst mal ein großes Stoppschild in den Weg zu stellen.
Ich hatte seit den Dreharbeiten zuDSDS 2010 fast durchgehend gearbeitet – ohne längere Erholungspause. Ich war unheimlich froh, dass es beruflich so gut lief – und ich hätte tatsächlich ein schlechtes Gewissen gehabt, wenn ich mir lange freigenommen hätte. Rückblickend staune ich, wie stark mein kleiner Körper ist. Aber darauf, dass man sich dauernd an seine Stressgrenzen bringt, sollte man nicht unbedingt stolz sein. Man sollte seinem Körper und seiner Seele vielmehr regelmäßig etwas zurückgeben, ihnen Gutes tun, ihnen eine Pause gönnen und sich somit bei ihnen bedanken. Man bekommt kein Lob im Himmel und auch kein Bonussternchen ins Lebensheft dafür, dass man bei der Arbeit immer wieder Unmenschliches leistet. Übrigens: In dem Buch5 Dinge, die Sterbende am meisten bereuen von Bronnie Ware steht gleich auf Platz 2: »Ich wünschte, ich hätte nicht so viel gearbeitet.« Was lernen wir daraus? Weniger ist mehr.
Warum habe ich mir das damals angetan? Von meinem extremen Bedürfnis nach S