: Katy Hessel
: The Story of Art Without Men Große Künstlerinnen und ihre Werke | Unbebilderte E-Book-Ausgabe
: Piper Verlag
: 9783492602136
: 1
: CHF 12.20
:
: Bildende Kunst
: German
: 512
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Ein Buch das zeigt, wie sehr Frauen die Kunst prägen Wie viele Künstlerinnen kennen Sie? Wer schreibt letztendlich Kunstgeschichte? Haben Frauen vor dem 20. Jahrhundert überhaupt als Künstlerinnen gearbeitet? Bis in unsere Gegenwart hinein wirkt die Kunst, die über Jahrhunderte hinweg von Männern für Männer gemacht wurde - dieses Buch beweist, wie einseitig dieses Bild ist. Katy Hessel nimmt uns mit auf eine Reise durch die Epochen und zeigt, welch tiefgreifenden Einfluss Künstlerinnen über die Zeit hinweg hatten, welche Pionier­arbeit sie häufig leisteten und wie sie verschiedene Stile, Techniken und Strömungen prägten. Entdecken Sie mit ihr viele Kunstformen, die oft übersehen oder abgetan werden, und zahlreiche aufregende Werke, die an der »Geschichte der Kunst« eben­falls erheblichen Anteil hatten. So gibt die Autorin unbekannten, ver­gessenen oder bislang unsichtbaren Künstlerinnen aus aller Welt die Bühne, die sie verdienen. In diesem Buch entdecken Sie die schillernde Sofonisba Anguissola der Renaissance, die bedeutendste italienische Malerin des Barock Artemisia Gentileschi, das radikale Werk von Harriet Powers in den USA des 19. Jahrhunderts und viele weitere außergewöhnliche Frauen, die bis auf wenige Ausnahmen wie Frida Kahlo oder Paula Modersohn-Becker bislang wenig beachtet wurden. Von der Küste Cornwalls bis Manhattan, von Nigeria bis Japan - dies ist die eine zeitgemäße Geschichte der Kunst. Eine Geschichte, bei der Frauen im Mittelpunkt stehen.

Katy Hessel, Jahrgang 1994, studierte Kunstgeschichte am University College in London. Sie arbeitet als Kuratorin u. a. für die Tate Modern und erlangte große Bekanntheit durch ihren Instagram-Kanal @thegreatwomenartists, auf dem sie Künstlerinnen aus der ganzen Welt porträtiert. In ihrem gleichnamigen Podcast spricht Hessel wöchentlich mit bekannten Persönlichkeiten aus der Kunstszene. Sie schreibt außerdem für die Sunday Times, den Evening Standard und die BBC. Vielbeachtete Vorträge zum Thema hielt sie u. a. an der Cambridge University und der National Gallery in London.

Die Renaissance


Bevor wir uns den radikalen Italienerinnen des späten 16. und des 17. Jahrhunderts zuwenden, möchte ich zwei Künstlerinnen aus der Zeit davor herausgreifen: Katharina von Vigri (1413–1463), die spätere heilige ­Katharina von Bologna, eine Schriftstellerin, Nonne und versierte Manuskriptillustratorin, sowie Properzia de’ Rossi (1490–1530), eine für ihr ­ungestümes Wesen bekannte Bildhauerin. De’ Rossi wurde für ihre akribischen, winzigen Arbeiten mit Holz, Marmor und Kirschsteinen gefeiert (siehe das Familienwappen der Grassi, 1510–1530). Sie erhielt Aufträge, wie sie keine Frau je zuvor ausgeführt hatte, so etwa ihr lebendiges MarmorreliefJoseph und die Frau des Potiphar, um 1525–1526, das sie für die Fassade der Basilica di San Petronio in Bologna schuf. Beide Frauen konnten sich als Künstlerinnen betätigen, da sie das Glück hatten, in Bologna zur Welt zu kommen, wo man Frauen gegenüber sehr fortschrittlich eingestellt war.

Zu der Zeit war Bologna eine Vorreiterin in Sachen Berufstätigkeit von Frauen. Als Heimat von Europas ältester Universität, die seit dem 13. Jahrhundert weibliche Studierende förderte, sah die Stadt ihre Künstlerinnen als wesentlich für ihre Entwicklung an. Von Gelehrten gelobt, von Biografen beschrieben und von der Bevölkerung verehrt, konnten die Frauen auch auf die Unterstützung von Gönnern aus allen Schichten zählen. (In Florenz und Neapel war die Auftragsvergabe dagegen ausgewählten Adelsfamilien vorbehalten.) Frauen wurden auch ermutigt, ihre Arbeiten zu signieren und sich mit Selbstporträts – nicht zuletzt der Nachwelt – bekannt zu machen. Kein Wunder also, dass Historiker zwischen dem 15. und dem 18. Jahrhundert in der Stadt sage und schreibe 68 Künstlerinnen ermittelt haben.

Diese bemerkenswerten Ausnahmen bekräftigen, dass Frauen immer schon durchaus für die Kunst geeignet waren. Doch trotz der günstigen Voraussetzungen zu jener Zeit waren Künstlerinnen in der Realität eine absolute Seltenheit und dienten eher als »Symbole« denn als ­»Pionierinnen«. (Nach de’ Rossis Tod ist 200 Jahre lang keine Bildhauerin mehr in den Annalen der Stadt verzeichnet.) Und wir wissen nur sehr wenig über die, die während der Renaissance tätig waren. Das meiste ist uns durch männliche Gelehrte oder Rechtsurkunden überliefert und kaum von den Frauen selbst.

Der Beginn der Renaissance wird allgemein um die Mitte des 14. Jahrhunderts angesetzt, etwa ein, zwei Jahrhunderte bevor Künstlerinnen überhaupt erst verzeichnet sind. Dieses Kapitel setzt indes im Italien der 1550er-Jahre ein, als nach gängiger Auffassung der Glanz der Hochrenaissance schon erheblich verblasst war.

1550 veröffentlichte der Florentiner Kunsthistoriker Giorgio Vasari mit seinenLe Vite die ersten Künstlerbiografien (mit nur ganz wenigen Frauen). Auf ihn geht auch der Begriff »Renaissance« (»Wiedergeburt«) zurück. Er kennzeichnet eine Zeit der wirtschaftlichen Blüte und eine neue Ära allgemeiner Gelehrsamkeit und der Hinwendung zur Natur. In Italien entdeckten bildende Künstler und Gelehrte die klassische Antike und ihre Literatur für sich. An Inspiration mangelte es nicht angesichts der antiken Ruinen, auf denen viele der italienischen Staaten im wahrsten Sinne des Wortes ruhten. Zu den antiken Einflüssen zählen die Linearperspektive, eine Technik, die mittels mathematischer Prinzipien eine Illusion von Raum und Tiefe schuf, Naturalismus im Sinne einer anatomischen Genauigkeit sowie weltliche Themen, die zur Förderung von Humanismus und Individualismus beitrugen.

Durch ihre Lage an den wichtigsten Handelsrouten und als Tore zum konsumfreudigen Westen waren die italienischen Staaten zu enormem Reichtum gelangt, der vielfach in die Förderung der Künste floss. Kunsthauptstädte waren Rom, Sitz der mächtigen katholischen Kirche, die zur Verbreitung der göttlichen Botschaft Kunstwerke in Auftrag gab, und ­Florenz, deren Bankendynastie