Stübchen eins
Der große Ernst
Ave Caesar
Er hätte gewarnt sein müssen und einfach zu Hause bleiben an diesem 15. August: den Feiertag genießen, sich des Lebens erfreuen, vielleicht zwischendurch ein Eis holen, eine Klobasse oder Käsekrainer, und es gemütlich angehen. Klingt ja nicht umsonst nur anderswo wie eine Hochschaubahn, ein Aufputschmittel, ein Kräuterbitter: Ferragosto, halb Italien steht Kopf, während sich hierzulande die ganze Geschichte eher nach Bummelzug anhört, einer Pensionistenreise zu irgendeinem Heurigen, einem Wanderausflug zu einem Lebensbaumkreis oder einer Schifffahrt über den Bodensee: Maria Himmelfahrt.
Alles also ziemlich entspannt.
Willibald Adrian Metzger aber wollte es anders, war an diesem Tag der Einsamkeit und Hitze in den Gewölbekeller seiner Werkstatt geflüchtet, stand geschäftig vor der Werkbank, und was dann hereinkam, wird ihm auf Lebzeiten immer wieder Alpträume bescheren, den Schweiß auf die Stirn zaubern und diese Gewissheit verpassen: „Ich hab ihn umgebracht! Umgebracht.“
Aber selbst schuld.
Er mochte ihn eben noch nie. Den August.
Drei davon sind dem Metzger in seinem Leben schon untergekommen. Und erfreuliche Begegnung war da bisher keine dabei. Wenn das also kein böses Omen ist, was dann!
Nummer eins:
Clarissa Hohenecker-August, Frau Doktor der Zahnheilkunde. Das „Heil“ die reinste Verhöhnung, denn der Goldschmied Atilla Konitschek, gleich um die Ecke, hatte mit seinen dreiundachtzig Jahren noch ein ruhigeres Händchen.
Nummer zwei:
Das Wirtshaus Zum sonnigen August. Wenn Willibald Adrian Metzger eines aus jeder Gulaschsuppenverkostung dieses Planeten herausschmeckt, dann die Konservendose von Felix. Was allerdings selbst ihm verborgen bleibt, ist das Ablaufdatum. So durchgeputzt hat es ihn schon lang nicht mehr, der ganze Körper ein sich öffnendes Gefäß.
Nummer drei:
Der Monat August höchstpersönlich. Keinen einzigen hat der Metzger im Alter zwischen sechs und achtzehn Jahren erlebt, dessen einunddreißig Tage er nicht heruntergezählt hätte, als stünde ihm ein Haftantritt bevor. Und dieses Gefühl ist ihm geblieben.
Wie gesagt, er hätte also gewarnt sein müssen, als an diesem 15. August derart schwunghaft seine Werkstatttür aufgestoßen wurde, so energisch hat sich das Glöckchen darüber schon lang nicht mehr gemeldet.
„Hilft einem hier keiner?“
„Tut mir leid, wir haben feiertags geschlossen!“ Und dieses ‚Wir‘ hört sich natürlich wunderbar bedeutungsvoll an, insbesondere als Einmannbetrieb.
„Dann sind Sie also entweder die Putzfrau, ein Einbrecher oder ein Schwarzarbeiter, weil geschlossen schaut definitiv anders aus.“
Schrill die Begrüßung, bohrend, weiblich. So dachte der Metzger zumindest, bis ihm ein junger Mann gegenüberstand. Um die dreißig Jahre alt, klein, zierlich, eine gepflegte Erscheinung, elegant gekleidet, die Haare seitlich kurz, oben lang und sorgsam nach hinten gekämmt, der Gang aufrecht mit leichtem Hohlkreuz, um dieser Welt, wenn schon nicht seine Größe, dann zumindest wie ein Oberbefehlshaber seinen Stolz zu präsentieren. Habt Acht. Rechts schaut. Wenn es einen Übervater Zeus gäbe und unter seinen Gschrappen noch ein Gott der Eitelkeit vakant wäre, hier stünde der perfekte Kandidat.
‚Nein danke!‘, war der erste Impuls des Restaurators, ‚ich muss mir wirklich nicht alles eintreten!‘
Dann aber sah er sie direkt vor seiner Werkstatt aus der geöffneten Schiebetüre eines Kleinbusses herauslachen. Prächtig die Rundungen, glatt wie ein gläsernes Panoramadach hinauf in den Himmel, ausladend der Körper, aber doch von attraktiver Zartheit. Keine schönere Italienerin war dem Metzger bisher untergekommen, von einer Berührung ganz zu schweigen.
„Venezianisch!“, ging er die Treppe empor, hinter ihm der kleine Feldmarshall mit schneidigem Ton: „In terra di ciechi beato chi ha un occhio solo!“
„Heißt jetzt was?“
„Im Land der Blinden ist der Einäugige gut dran!“, kam es spitz wie ein Messer in den Rücken retour, und das „Trottel!“ hat sich der Metzger zum Glück nur gedacht. Auch aus Ehrfurcht diesem Anblick gegenüber: „Chippendale, neunzehntes Jahrhundert. Eine herrliche Anrichte haben Sie da!“, strich er behutsam über ihren Körper.
Jaja, so leicht ist e