Die Existenzanalyse fasst ins Auge das Ringen des Menschen um einen Sinn – und nicht nur um den Sinn des Leidens, sondern auch um den Sinn des Lebens schlechthin, um den Sinn der Existenz. Für die Existenzanalyse gibt es nicht allein einen »Kampf ums Dasein«, wie der programmatische Buchtitel einmal gelautet hat, »und gegenseitige Hilfe« (Peter Kropotkin); sondern für die Existenzanalyse gilt: Kampf um den Sinn des Daseins – und Beistand in der Sinnfindung. Mit einem Wort: Die Existenzanalyse stellt in den Vordergrund ihres Gesichtsfeldes die Sinnorientiertheit und die Wertstrebigkeit des Menschen.
Und nun möchte ich am liebsten einem Fachkollegen das Wort erteilen. Er schreibt in einem Brief: »Warum mich gerade die Existenzanalyse so angesprochen hat? Ich war als junger Widerstandskämpfer noch in den letzten Wochen vor Kriegsende von der Gestapo erwischt, beim Verhör arg misshandelt und schließlich in das nahegelegene KZ R. bei I. gebracht worden. Ich musste mein Todesurteil selbst unterzeichnen, und die Hinrichtung sollte am 3. Mai 1945 öffentlich vollzogen werden. Man mag mir’s nicht verübeln, wenn ich an ein Wunder glaube, dass ich diesem Schicksal entgangen bin. Und doch, jene Tage, da man meinte, auf der absoluten Höhe seines Daseins angekommen zu sein,da waren die Fragen, die man an sich stellte, tiefer und gründlicher, als je eine Lehranalyse sie entwickeln könnte. Und in jener Situation spürte man schon, worum es auch in der Psychotherapie gehen muss! Alle orthodoxen Systeme versagen im Vergleich zu jener Analyse, der man sich selbst unterzog. Spielte es da eine Rolle, ob der oder jener Ansatz einer psychischen Unausgeglichenheit, eines Komplexes, zurückzuführen sei auf ein prägenitales, analerotisches, ja wo möglich auf ein intrauterines Trauma, oder ob die oder jene Organminderwertigkeit daran beteiligt gewesen sein mag, oder ob Archetypen meines kollektiven Unbewussten irgendwie mitgespielt haben –diese Fragen wurden in der Situation des Wartens auf das Letzte wahrlich nicht gestellt! Da sprach man mit sich oder