: Hannah Luis
: Der Duft von Tee und Winter Roman - Mit leckeren Rezepten zum Nachbacken
: Heyne
: 9783641286637
: 1
: CHF 6.90
:
: Erzählende Literatur
: German
: 608
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Dampfender Tee, frischgebackene Scones und das Geheimnis einer Liebe, die nicht sein durfte
Zufällig stößt Laura auf ein wunderschönes altes Buch über die Welt des indischen Tees. Darin entdeckt sie das Sepia-Foto eines jungen Mannes - und den Namen der ehemaligen Besitzerin des Buchs, Agatha Sperlich. Die alte Dame reagiert abweisend, als Laura ihr das Foto zurückzubringen will. Doch dann beginnt Agatha zu erzählen: von ihrer Kindheit in England und Jeevan, ihrer großen Liebe, mit der sie nicht zusammen sein durfte. Auf der Suche nach Jeevan reist Laura schließlich nach Kent. Umgeben von der winterlichen Landschaft und den britischen Teegenüssen deckt sie mithilfe von Jeevans Großneffen Joshua ein lang gehütetes Familiengeheimnis auf. Doch kann es eine Zukunft für zwei Menschen geben, deren Schicksale so verschieden sind? Während sich Laura diese Frage stellt, wird ihr bewusst, dass sie dabei auch an Joshua denken muss ...

Hannah Luis studierte Skandinavistik, Publizistik und Sozialanthropologie in Bochum und Kopenhagen. Nach verschiedenen Stationen in Australien, England und der Schweiz kehrte sie nach Deutschland zurück. Heute lebt und schreibt sie in Essen, aber es zieht sie noch immer regelmäßig in die Ferne. Sie liebt es, Rezepte aus anderen Ländern mitzubringen und zu Hause auszuprobieren.

2


Der Regen machte ihr kaum etwas aus, mit ihm hatte sie gerechnet. Weniger schön war, dass Oliver schon vor zwanzig Minuten hätte hier sein sollen.

Laura wusste nicht, wie oft sie bereits auf ihr Handy gesehen hatte. Ihre letzte Nachricht –Ich bin da und stehe am Ausgang Ottenser Hauptstraße – hatte er nicht einmal gelesen. Aber sicher gab es einen guten Grund für die Verspätung, und irgendwann würden sie über diese zwanzig Minuten lachen, die sie am Bahnhofseingang gefroren hatte.

Fünfundzwanzig.

Sie zog ihr Halstuch ein Stück in die Höhe, sah noch einmal auf ihr Handy und wandte sich um. Länger warten oder sich in ein Café setzen?

»Laura!«

Laura kniff die Augen zusammen und erkannte seine Silhouette hinter den Silberfäden des Regens, die das Dunkel mit verhaltenem Rauschen durchschnitten. Sie ließ den Griff ihres Rollkoffers los, lief Oliver entgegen und schmiegte sich kurz darauf in seine Arme. »Ich hab mir schon Sorgen gemacht.«

Oliver lachte leise und drückte sie an sich, ließ sie jedoch augenblicklich wieder los. Es war auf eine schöne Weise seltsam, dieses vertraute Gesicht in der Fremde. Seine dunklen Haare glänzten vor Nässe. Oliver schüttelte sich und fuhr mit der Hand über seine Stirn, wie er es immer nach dem Duschen tat. Langgliedrige Finger, von denen Laura regelmäßig dachte, dass sie einem Künstler gehören sollten. »Na komm, gehen wir, ehe wir beide patschnass sind.«

Die Fahrt mit dem Taxi in die Arnoldstraße dauerte knapp zwanzig Minuten. Während Oliver bezahlte, stieg Laura aus und musterte das fünfstöckige Gebäude mit der rot-weißen Ziegelfassade, das sie nur einmal zuvor bei ihrer Wohnungsbesichtigung gesehen hatte. An die zwei winzigen, von Hecken gesäumten Rasenstücke vor dem Haus hatte sie sich schon gar nicht mehr erinnert. Der Baum auf dem Linken hatte bereits einen Großteil seiner Blätter verloren, die nun auf Rasen und Gehweg klebten.

»Laura, kommst du? Der Regen wird stärker.« Olivers Stimme klang ungeduldig und wurde vom Klimpern des Schlüssels begleitet.

Laura betrat das Treppenhaus mit den Briefkästen zur Linken, der breiten Treppe, dem Flur in Mintgrün und dem schönen Bogenfenster im Hochparterre. Auf einer großen Abstellfläche reihten sich Kinderwagen aneinander.

»Und?« Sie deutete darauf. »Ist davon irgendwas zu hören oder sind die Wände dick?«

Er zuckte die Schultern. »Keine Ahnung, ehrlich gesagt. Wenn ich nach Hause komme, ist es spät, und wenn ich im Bett liege, schlafe ich meist schnell ein.«

Sie strich ihm mitfühlend über die Schulter. »Na, dann hoffe ich mal, dass du heute Abend etwas länger wach bleibst«, sagte sie. Sie waren im Bett miteinander niemals wild und unersättlich gewesen, aber sie hatte ihn vermisst und sehnte sich danach, seinen Körper zu spüren.

Oliver hob ihren Rollkoffer mit einer beiläufigen Geste hoch und hielt ihr den Schlüssel entgegen. »Nach Ihnen, Frau Nicolai. Vierter Stock!«

»Ich weiß!« Sie joggte die Treppen nach oben und blieb kurz darauf stehen. Drei Türen, nur eine davon ohne Fußmatte. Selbst wenn sie mit ihren restlichen Sachen nachkommen würde, mussten sie noch eine Menge kaufen, um alles gemütlich einzurichten. Vieles hatten sie ausrangiert, zurückgelassen oder verschenkt,