Die Oberstin
I.
Einst gab es in Karlstad eine Oberstin, die Beate Ekenstedt hieß.
Sie war eine Löwensköld vom Landgut Hedeby und somit eine geborene Freiherrin, und sie war so zart, und sie war so liebenswürdig, und sie war so gebildet, und sie konnte Verse schreiben, die so unterhaltsam waren wie die von Frau Lenngren1.
Sie war klein, hatte aber wie alle Löwenskölds eine aufrechte Körperhaltung und ein interessantes Gesicht. Sie sagte allen, denen sie begegnete, schöne und charmante Dinge. Sie hatte etwas Romantisches an sich, und wer sie einmal gesehen hatte, konnte sie nie mehr vergessen.
Sie kleidete sich exquisit und war immer sehr gut frisiert, und wohin sie auch kam, sie war stets die Frau mit der hübschesten Brosche und dem geschmackvollsten Armband und dem funkelndsten Brillantring. Außerdem hatte sie die kleinsten Füße, die ein Mensch nur haben kann, und unabhängig davon, ob sie nun gerade in Mode waren oder nicht, trug sie ausnahmslos kleine, hochhackige Schuhe, die mit Goldbrokat besetzt waren.
Sie wohnte im vornehmsten Haus Karlstads, und es lag nicht mitten im Häusergewirr in den engen Gassen, sondern am Ufer des Klarälven, sodass die Oberstin von ihrem kleinen Kabinett auf das Wasser des Flusses hinabblicken konnte. Sie erzählte des Öfteren, eines Nachts, als klarer Mondschein auf dem Fluss lag, habe sie direkt unter ihrem Fenster den Wassergeist Nix sitzen und auf seiner Goldharfe spielen gesehen. Und niemand bezweifelte, dass sie richtig gesehen hatte. Warum sollte der Nix Oberstin Ekenstedt kein Ständchen darbringen wollen wie so viele andere auch?
Jeder wohlgeborene Reisende, der nach Karlstad kam, begab sich zur Oberstin, um ihr seine Aufwartung zu machen. Alle waren sofort entzückt von ihr und fanden es hart, dass sie in einer Kleinstadt begraben war. Man erzählte sich, Bischof Tegnér2 habe ein Gedicht für sie geschrieben und der Kronprinz habe erklärt, sie besitze den Charme einer Französin. Selbst General von Essen und andere, die noch die Zeit König Gustavs III.3 erlebt hatten, mussten zugeben, Diners wie die, zu denen sie bei Oberstin Ekenstedt eingeladen wurden, hatten sie nirgendwo sonst erlebt, weder was das Essen, noch was die Bewirtung oder Konversation betraf.
Die Oberstin hatte zwei Töchter, Eva und Jaquette. Es waren anmutige und freundliche Mädchen, und wo immer sie auf der Welt gelebt hätten, wären sie bewundert worden und beliebt gewesen, aber in Karlstad würdigte sie niemand auch nur eines Blickes. Dort wurden sie von ihrer Mutter völlig in den Schatten gestellt. Wenn sie auf einen Ball kamen, wetteiferten die jungen Herren darum, mit der Oberstin tanzen zu dürfen, wohingegen Eva und Jaquette sitzen bleiben und ein Dasein als Mauerblümchen fristen mussten. Und wie gesagt, nicht nur der Nix brachte vor dem Haus der Ekenstedts ein Ständchen dar, doch nie sang jemand unter den Fenstern der Töchter, immer nur unter dem der Oberstin. Junge Poeten verfassten Verse für B. E., aber nicht einer dichtete ein paar Strophen für E. E. oder J. E. Böse Zungen behaupteten, als einmal ein Leutnant um die Hand der kleinen Eva Ekenstedt anhielt, habe er einen Korb bekommen, weil die Oberstin der Meinung gewesen sei, er habe einen schlechten Geschmack.
Die Oberstin hatte auch einen Oberst, einen prächtigen und guten Mann, dem man überall sonst mit Hochachtung begegnet wäre, nur in Karlstad nicht. In Karlstad verglich man den Oberst mit der Oberstin, und wenn man ihn neben seiner Gattin sah, die so brillant und ungewöhnlich und einfallsreich und spielerisch lebhaft war, fand man, dass er aussah wie ein Bauer. Die Leute, die in seinem Haus zu Gast waren, machten sich nicht die Mühe, zu hören, was er sagte, sie schienen ihn gar nicht zu sehen. Es war nicht etwa so, dass die Oberstin all denen, die sie umschwärmten, auch nur den kleinsten ungehörigen Annäherungsversuch gestattet hätte; an ihrem Lebenswandel war nichts auszusetzen, aber ihren Mann aus der Versenkung zu holen, daran dachte sie nie. Vermutlich fand sie, dass es am be