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Die Partys im Haus der Tuñóns endeten grundsätzlich spät, und da die Gastgeber besondere Freude an Kostümfesten hatten, war es nichts Ungewöhnliches, die traditionell gekleideten Mexikanerinnen mit Bändern im Haar und ihren folkloristischen Röcken in Begleitung eines Harlekins oder eines Cowboys eintreffen zu sehen. Statt vor dem Haus der Tuñóns zu warten, hatten die Chauffeure ihre eigene Strategie entwickelt. Sie zogen los, um an einem Straßenstand Tacos zu essen oder eines der Dienstmädchen in der Nachbarschaft zu besuchen, ein Werben, so umständlich wie ein viktorianisches Melodram. Einige der Chauffeure scharten sich zusammen, um gemeinsam zu rauchen und einander Geschichten zu erzählen. Ein paar hielten ein Nickerchen. Immerhin wussten sie nur zu gut, dass niemand die Party vor ein Uhr morgens verlassen würde.
Folglich verstieß das Paar, das sich bereits um zehn Uhr abends von der Party entfernte, gegen die Konventionen. Schlimmer jedoch war, dass sich der Fahrer des Mannes entfernt hatte, um sich etwas zum Abendessen zu holen, und unauffindbar war. Der junge Mann sah beinahe verzweifelt aus, während er überlegte, wie es weitergehen sollte. Er hatte einen Pferdekopf aus Pappmaché getragen, eine Entscheidung, die ihm jetzt zu schaffen machte, da er sich mit dieser sperrigen Requisite einen Weg durch die Stadt würden bahnen müssen. Noemí hatte ihn gewarnt, dass sie beabsichtige, den Kostümwettbewerb zu gewinnen, dass sie besser abschneiden wolle als Laura Quezada und ihr Beau; also hatte er einen Riesenaufwand betrieben, der jedoch völlig fehl am Platze gewesen war, da seine Begleiterin das zuvor angekündigte Kostüm gar nicht getragen hatte.
Noemí Taboada hatte verkündet, sie werde eine Jockeymontur samt Reitgerte ausleihen. Das hätte als geschickte und leicht skandalöse Wahl gelten können, zumal sie gehört hatten, Laura wolle sich eine Schlange um den Hals wickeln und als Eva erscheinen. Am Ende hatte Noemí es sich jedoch anders überlegt. Das Jockey-Kostüm war hässlich und kratzte auf der Haut. Also trug sie stattdessen ein grünes Kleid mit applizierten weißen Blumen, hatte sich aber nicht die Mühe gemacht, ihren Begleiter über die Planänderung in Kenntnis zu setzen.
»Was jetzt?«
»Drei Blocks von hier ist eine Hauptstraße. Dort können wir ein Taxi anhalten«, sagte sie zu Hugo. »Sag mal, hast du eine Zigarette?«
»Zigarette? Ich weiß nicht mal, wo ich meine Brieftasche gelassen habe«, antwortete er und strich mit der Hand über seine Jacke. »Außerdem, hast du nicht immer Zigaretten in der Handtasche? Ich würde ja annehmen, dass du zu knauserig bist, dir eigene zu kaufen, wenn ich es nicht besser wüsste.«
»Es macht eben viel mehr Spaß, wenn ein Kavalier einer Dame eine Zigarette anbietet.«
»Ich kann dir heute Abend nicht mal ein Minzbonbon anbieten. Was meinst du, ob ich meine Brieftasche wohl im Haus liegen gelassen habe?«
Sie antwortete nicht. Hugo hatte es nicht leicht mit dem Pferdekopf unterm Arm. Als sie die Allee erreichten, hätte er ihn beinahe fallen lassen. Noemí reckte einen schlanken Arm und winkte ein Taxi heran. Im Wagen war es Hugo dann endlich möglich, den Kopf auf dem Sitz abzulegen.
»Du hättest mir sagen können, dass ich das Ding gar nicht mehr brauche«, murrte er, als ihm das Lächeln auf den Lippen des Fahrers auffiel, von dem er annahm, dass er sich auf seine Kosten amüsierte.
»Du wirkst hinreißend, wenn du verärgert bist«, erwiderte sie, öffnete ihre Handtasche und nahm die Zigaretten heraus.
Hugo sah aus wie der junge Pedro Infante, was einen großen Teil seines Reizes ausmachte. Was den Rest betraf – Persönlichkeit, sozialer Status und Intelligenz –, hatte Noemí sich nicht die Zeit genommen,