: Frauke Ludwig, Diana Schwarz
: Einfach tragen Der Trage-Guide - für mehr Nähe und eine gute Bindung. Mit einem Vorwort von Herbert Renz-Polster
: Kösel
: 9783641295233
: 1
: CHF 10.50
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: Familie
: German
: 160
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Für Nähe, Bindung und freie Hände im Familienalltag
Tragen kann so wundervoll sein! Es erleichtert das Leben, es ist kuschelig und das Baby wird es lieben! Dieses Buch ermöglicht Eltern mit zahlreichen Fotos, Videos, Tricks und Kniffen, sich im Tragesdschungel zurechtzufinden, die perfekte Tragehilfe oder das richtige Tragetuch zu finden, um eine ganz entspannte und bequeme Tragezeit mit ihrem Kind zu erleben.

Was kaum jemand weiß: Menschenkinder sind Traglinge und tatsächlich tragen bis heute zwei Drittel der Weltbevölkerung ihre Kinder in einem Tragetuch oder einer Tragehilfe. Auch hierzulande sehen wir im Stadtbild immer häufiger, dass viele Babys und Kleinkinder ganz nah am Körper ihrer Eltern eingebunden werden. Der Markt für diese Produkte wächst stetig und die Vielfalt sorgt häufig für eine enorme Verwirrung.

Welche Tragehilfe ist die beste für mich und mein Baby?

Ab wann kann ich mein Baby tragen?

Ist das gut für den Rücken des Babys?

Mei Tai? Ist das nicht ein Getränk?

Ist das Tragetuch wirklich die beste Variante?

Verwöhne ich mein Kind, wenn ich es ständig trage?

Bekommt es im Tuch genug Luft?

Hinzu kommt, dass eine Tragehilfe im besten Falle gut und sicher sitzen sollte, um sich für Kind und die jeweilige Trageperson angenehm anzufühlen. Hier entscheiden manchmal wenige Zentimeter in der Höheneinstellung eines Verbindungsgurtes darüber, ob wir bequem tragen oder unser Kind mit anschließenden Rückenschmerzen durch den anstrengenden Alltag 'schleppen'.

Frauke Ludwig und Diana Schwarz, Leiterinnen der Trageschule Hamburg, Gründerinnen von Einfach Eltern und Inititatorinnen des renommierten AP-Kongresses, sind gemeinsam mit ihrem Team DIE Expertinnen im deutschsprachigen Raum, wenn es ums Tragen geht. Sie zeigen mithilfe von Fotos und Videos (QR-Codes) schnell und anschaulich das richtige Anlegen und Binden. Es wird erklärt, woran man eine gute Tragehilfe erkennt, ab wann man sein Kind auf dem Rücken tragen kann und warum man Babys nicht mit dem Gesicht nach vorn tragen sollte. Grundlegende Aspekte, Vorteile für die emotionale Bindung, anatomische Voraussetzungen, Mehrwert für die Eltern, runden den praktischen Guide ab.

Frauke Ludwigleitet gemeinsam mit Diana Schwarz die Trageschule Hamburg® und das Kursportal Einfach Eltern®. Die bedürfnisorientierte Begleitung von Familien steht bei ihrer Arbeit immer im Fokus. Sie bilden Trageberaterinnen und BabySteps®-Kursleiterinnen aus, beraten Hersteller von Tragehilfen und sind Initiatorinnen des renommierten Attachment Parenting Kongresses.

Seit 2013 haben sie an den Standorten Hamburg, Köln, Bayern, Wien und Australien circa 3.000 Trageberaterinnen ausgebildet. Die Autorinnen referieren außerdem auf zahlreichen Kongressen und geben Interviews zum Thema.

Der Tragling


Erinnerst du dich noch daran, dass du im Biologieunterricht mal etwas darüber gelernt hast, wie unterschiedlich sich der Nachwuchs von Tieren entwickelt? Es ging um »Nesthocker« und »Nestflüchter«, also um Jungtiere, die entweder nach der Geburt noch länger immobil und deshalb auf sehr viel Unterstützung angewiesen sind, oder um solche, die direkt nach der Geburt im wahrsten Sinne des Wortes auf eigenen Beinen stehen und daher wesentlich selbstständiger sind. Dieses Schema wurde um eine dritte Kategorie ergänzt, nämlich den Tragling. Und den wollen wir uns hier etwas ausführlicher anschauen, denn genau das sind Menschenbabys. Oft fällt es uns viel leichter, die Grundbedürfnisse unserer Kinder zu erkennen und in unseren Alltag zu integrieren, wenn wir die biologischen Hintergründe kennen.

Werfen wir daher einen Blick auf die drei unterschiedlichen Gruppen! DieNesthocker sind direkt nach der Geburt taub und blind, denn ihre Augenlider und Gehörgänge sind noch geschlossen. Da sie nackt sind, können sie ihre Temperatur nur sehr unvollkommen selbst regulieren. Darüber hinaus können sie sich noch nicht selbst fortbewegen – mit einem Wort: Nesthocker sind darauf angewiesen, dass sie von ihrer Umgebung versorgt werden. Erleichtert wird das dadurch, dass die Nahrung, die sie erhalten, oftmals sehr langanhaltend sättigt, sodass sie es längere Zeit ohne Nahrungszufuhr aushalten können. So kommen beispielsweise Kaninchen nur ein- bis zweimal am Tag zu ihrer Höhle, um ihre Babys zu säugen.

Ganz anders verhält es sich bei denNestflüchtern: Bei ihnen sind Augen und Ohren schon direkt nach der Geburt geöffnet, sie verfügen auch bereits über die wärmende Körperbehaarung und können dem Muttertier bereits kurz nach der Geburt folgen. Da die Muttermilch eher fettarm ist, müssen Nestflüchter in kurzen Abständen gestillt werden, daher brauchen sie die Nähe zur Mutter.

UnterTraglingen schließlich versteht man alle Lebewesen, die von einem Elternteil getragen werden, weil sie sich noch nicht alleine fortbewegen können. Hier wird zwischen aktiven und passiven Traglingen unterschieden: Passive Traglinge, etwa Kängurus und Koalas (die sich spannenderweise später zu aktiven Traglingen entwickeln!), werden beispielsweise in den Beuteln ihrer Mütter transportiert. Dort setzen sie ihre Reifung fort. Aktive Traglinge sind hingegen beispielsweise Affen, die sich im Fell ihrer Mütter festhalten.

Richten wir den Blick nun auf Menschenbabys, fallen die folgenden Merkmale ins Auge: Ihre Augen und Ohren sind direkt nach der Geburt geöffnet, die Sinnesorgane sind noch nicht ausgereift und die Neugeborenen können ihre Temperatur nur sehr unzureichend regulieren. Darüber hinaus sind sie komplett hilflos, können sich noch nicht selbst fortbewegen und brauchen sowohl häufige Stillmahlzeiten, als auch intensiven Körperkontakt mit ihrer Hauptbezugsperson. All das macht deutlich: Menschen gehören zu den Traglingen, und zwar zu den aktiven.

Die Reflexe und das Hüftgelenk


Mit dem Wissen, dass der Mensch ein Tragling ist, erklärt sich schnell, warum Reflexe, Muskulatur und die Knochen des Babys sowohl am Tragen beteiligt sind, als auch stark davon profitieren. Viele Reflexe, die bei der U3 in der vierten bis fünften Lebenswoche untersucht und abgefragt werden, unterstützen das Baby beim Stillen und Tragen. Das Baby hilft also quasi instinktiv mit.

Schauen wir uns das doch mal genauer an:

Wird ein Baby abgelegt oder erschreckt, zeigt sich oft derMoro-Reflex. Dabei breitet es die Arme ruckartig zur Seite aus und spreizt die Finger. Bei Traglingen dient der Moro-Reflex beispielsweise dem Schutz vor dem Herabfallen oder Abgelegt-Werden: Das Baby klammert, es greift also sozusagen nach dem Fell, was man etwa auch bei Affen sehr gut beobachten kann.

DerGreifreflex ist unabhängig vom Moro-Reflex; beide können nicht gleichzeitig ausgelöst werden. Durch den Greifreflex hilft das Baby mit Händen und Füßen aktiv beim Tragen, indem es sich an Kleidung (oder Haare) klammert.

DerAnhock-Spreiz-Reflex wird dann ausgelöst, wenn wir unser Baby hochheben. Es hockt automatisch die Beinchen auf etwa 110 Grad an und spreizt sie dabei leicht. So bereitet sich das Baby instinktiv darauf vor, auf unserer Hüfte getragen zu werden. Durch den Greifreflex in Händen und Füßen hilft das Baby aktiv mit, sich dort auch zu halten. Es benötigt jedoch zusätzliche Hilfe durch unsere Arme, ein Tuch oder eine Tragehilfe, da wir Eltern schon lange nicht mehr über das notwendige Fell verfügen, an dem das Baby sich festhalten könnte.

Anhock-Spreiz-Haltung bei einem kleinen Baby

© iStock.com: FamVeld

DerTonische Labyrinth Reflex (TLR) schließlich wird in Abhängigkeit von der Position des Babyköpfchens ausgelöst: Neigt sich das Baby nach vorne, so rundet sich der Rücken und die Beinchen hocken an. Hält das Baby sein