: Grégoire Delacourt
: Alle meine Wünsche Roman
: Heyne
: 9783641293444
: 1
: CHF 8.90
:
: Erzählende Literatur
: German
: 128
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Eines Tages gewann Jo im Lotto ...
Jocelyne führt einen Kurzwarenladen im nordfranzösischen Arras. Die Kinder sind aus dem Haus, und Jos ganze Leidenschaft gilt ihrem Internet-Blog übers Sticken und Nähen. Sie liebt ihr kleines Leben, liebt sogar ihren ungehobelten Mann - bis durch einen Lottogewinn alles aus den Fugen gerät.

Grégoire Delacourt wurde 1960 im nordfranzösischen Valenciennes geboren. Er arbeitete als Werbetexter und erntete schon mit seinem literarischen DebütL'Ecrivain de la famillein Frankreich begeisterte Kritiken sowie renommierte Literaturpreise. Sein zweiter RomanAlle meine Wünschewar ein gefeierter Bestseller und erschien weltweit in zahlreichen Ländern. Grégoire Delacourt lebt mit seiner Familie in Paris.

M an lügt sich immer an.

Ich weiß zum Beispiel genau, dass ich nicht hübsch bin. Ich habe keine blauen Augen, in denen sich die Männer verlieren, in denen sie versinken wollen, damit man hinterherspringt und sie rettet. Ich habe keine Mannequin-Taille, ich bin eher drall, sogar füllig. Der Typ, der anderthalb Plätze braucht. Ich habe einen Körper, den die Arme eines mittelgroßen Mannes nicht ganz umfassen können. Ich habe nicht die Anmut der Frauen, denen man lange Sätze mit Seufzern als Satzzeichen ins Ohr flüstert, nein. Ich verleite eher zu kurzen Sätzen. Deftigen Bissen. Der Knochen des Verlangens ohne Schwarte, ohne das gemütliche Fett.

Das weiß ich alles.

Und trotzdem gehe ich manchmal, wenn Jo noch nicht zu Hause ist, hoch in unser Schlafzimmer und stelle mich vor den Spiegel unseres Kleiderschranks – ich muss ihn daran erinnern, den Schrank an der Wand zu befestigen, bevor er mich eines schönen Tages während meinerKontemplation zerschmettert.

Ich schließe die Augen und ziehe mich langsam aus, so, wie mich noch nie jemand ausgezogen hat. Jedes Mal wird mir ein bisschen kalt und ich erschauere. Wenn ich ganz nackt bin, warte ich einen Moment, bevor ich die Augen öffne. Ich genieße. Lasse die Gedanken schweifen. Träume. Ich sehe die ergreifenden, schmachtenden Körper aus den Kunstbüchern vor mir, die bei meinen Eltern herumlagen; später dann die derberen Körper aus den Zeitschriften.

Dann hebe ich langsam, wie in Zeitlupe, die Lider.

Ich betrachte meinen Körper, meine schwarzen Augen, meine kleinen Brüste, meinen Schwimmring, meinen Wald aus dunklem Schamhaar, und finde mich schön; und ich schwöre Ihnen, in diesem Moment bin ich schön, sehr schön sogar.

Diese Schönheit macht mich zutiefst glücklich. Unglaublich stark.

Sie lässt mich alles Hässliche vergessen. Den ziemlich langweiligen Kurzwarenladen. Das Geschwätz und das Lotto von Danièle und Françoise – den Zwillingen, die den Salon Coiff ’Esthétique neben dem Kurzwarenladen führen. Diese Schönheit lässt mich alle