Faszinosum Fuchs
Wie Füchse uns seit Menschengedenken beschäftigen
(Dag Frommhold)
»Das Schönste, was wir erleben können,
ist das Geheimnisvolle.«
Albert Einstein
Im Oktober 1994 besuchte der deutsche Archäologe Klaus Schmidt den Göbekli Tepe (»bauchiger Hügel«), ein Hochplateau im Südosten der Türkei nahe der Grenze zu Syrien. Eigentlich galt die Stätte als hinreichend erforscht – Schmidts Vorgänger hatten den Berg in den 1960er-Jahren untersucht und dort lediglich einen muslimischen Friedhof entdeckt, der aus archäologischer Sicht eher uninteressant war. Schmidt jedoch sah genauer hin und fand dabei Bruchstücke steinerner Bauwerke. Als er diese datieren ließ, verschlug das Ergebnis ihm die Sprache. Sie stammten nämlich aus prähistorischen Zeiten, über sechstausend Jahre vor dem Bau der Pyramiden. Einige Ausgrabungen später stand fest, dass Schmidts Fund die vielleicht größte archäologische Sensation des 20. Jahrhunderts darstellte, geeignet, die Menschheitsgeschichte umzuschreiben.
Schmidt übernahm in den Folgejahren die Leitung der Arbeiten am Göbekli Tepe. Sein Team förderte eine riesige Tempelanlage zutage. Über mehrere Hektar Fläche verteilten sich Dutzende kreisförmige Maueranlagen mit Durchmessern von bis zu dreißig Metern. Darin und dazwischen standen massige Pfeiler, zum Teil mehr als fünf Meter hoch und zwanzig Tonnen schwer, die zur Stabilisierung in eigens dafür behauene Sockel im Felsboden eingepasst waren.
Derartige Baukünste hatte man den Menschen der Altsteinzeit bis dahin nicht annähernd zugetraut. Doch damit nicht genug: Die steinzeitlichen Bauherren waren nicht nur Freunde monumentaler Architektur, sondern besaßen auch einen künstlerischen Anspruch, wie er andernorts erst Tausende Jahre später aufkommen sollte. Detaillierte Reliefs und selbst nahezu vollplastische Darstellungen verschiedener Tiere finden sich überall in der Anlage. Viele davon zeigen besonders große oder wehrhafte Arten, darunter Löwen, Schlangen, Wildschweine und Stiere. Das häufigste Säugetiermotiv ist jedoch ein zumindest auf den ersten Blick eher unscheinbarer Geselle. Realistisch dargestellt, mit spitzen Zähnen und buschigem Schwanz, begegneten den Ausgrabungsteams zahlreiche Darstellungen von Füchsen.1 Der Fuchs, so vermuteten die Archäologen, musste im Glauben der altsteinzeitlichen Bewohner des »bauchigen Hügels« also eine wichtige Rolle gespielt haben.
Eine von vielen Fuchsdarstellungen in Göbekli Tepe
Göbekli Tepe gilt heute als die mit Abstand älteste bekannte Kultstätte der Menschheit und ist der wohl früheste Hinweis darauf, dass Füchse uns Menschen in besonderem Maß beschäftigen und inspirieren. Sie ist aber bei Weitem nicht der einzige solche Hinweis. Ganz im Gegenteil: Schaut man sich Kunst, Religion und Mythologie der verschiedensten Kulturen rund um den Erdball etwas genauer an, so trifft man allerorten auf Füchse.
In Japan etwa wurde der Fuchs als Gesandter des Fruchtbarkeitsgottes Inari verehrt. Tempelanlagen und Schreine, die Inari gewidmet sind, werden daher oft von eindrucksvollen Fuchsstatuen bewacht. In ländlichen Gegenden boten die Bauern wild lebenden Füchsen einst Opfergaben in Form von Reis und gebratenem Tofu an. Letzterer erfreut sich nämlich nicht nur unter Menschen großer Beliebtheit, sondern wird auch von Füchsen sehr gerne verspeist.
Eine wichtige Rolle in der fernöstlichen Mythologie spielen Füchse auch als magische Wesen und Gestaltwandler. Dazu zählen etwa die japanischen Kitsunes (»Kitsune« ist das japanische Wort für »Fuchs«), die ihr