: Margrit Stamm
: Angepasst, strebsam, unglücklich Die Folgen der Hochleistungsgesellschaft für unsere Kinder
: Kösel
: 9783641287504
: 1
: CHF 17.40
:
: Gesellschaft
: German
: 192
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Erwarten wir zu viel von unseren Kindern? - Geht es immer nur um Leistung?
Besonders fleißig, gute Noten und beliebt - ein solches Kind hat scheinbar beste Aussichten. Unsere Hochleistungsgesellschaft setzt auf leistungsstarken Nachwuchs, auf hohe Bildungsabschlüsse und auf Väter und Mütter, die nach Kräften fördern und so den Erfolg ihrer Kinder möglich machen.

Das erzeugtStress, bei den Eltern, vor allem aber bei den Kindern. Mit oft traurigen Folgen:

'Überleister' sind Kinder, die permanent mehr leisten, als man von ihnen erwarten dürfte.

Sie sind angepasst, unauffällig und erfolgreich, doch ihre Erfolge erzielen sie nicht in erster Linie wegen ihres IQs oder ihrer Talente, sondern durch Fleiß, Elternunterstützung und Druck. Der muss gar nicht explizit von den Eltern ausgeübt werden - die Kinder spüren die Erwartungen an sie. So setzen sich schon junge Schulkinder selbst unter Druck.

Die Überleister-Kultur ist ein unterschätztes Problemund schuld an mangelnder Lernfreude sowie derZunahme emotionaler Probleme bei Kindern. Für ihr Buch hat Margrit Stamm intensiv zu der bisher noch zu wenig beachteten Überleistung bei Kindern geforscht.

Ihr Ziel ist es, das gesellschaftliche Bewusstsein für dieses Problem zu schärfen und Eltern sowie Erziehungsexperten neue Wege aufzuzeigen.

Margrit Stammist Professorin em. für Pädagogische Psychologie und Erziehungswissenschaften an der Universität Fribourg-CH und Direktorin des Forschungsinstitut Swiss Education. Sie war Gastprofessorin an diversen Universitäten im In- und Ausland sowie in verschiedenen wissenschaftlichen Beiräten von nationalen und internationalen Organisationen. Ihre Forschungsschwerpunkte sind Frühkindliche Bildung und Familie, Begabungsforschung und Talententwicklung über die Lebensspanne, Chancengerechtigkeit und Berufsbildungsforschung. Margrit Stamm ist verheiratet und Mutter von zwei erwachsenen Kindern.

Einleitung

Überleistung? Dieser Begriff ist im deutschen Sprachraum nicht geläufig. Ganz anders in denUSA, dort gehörtOverachievement zum Alltagsvokabular und gilt als etablierter Fachbegriff, eine deutsche Übersetzung gibt es nicht. Dass Überleistung dort so populär ist, dürfte in den Auswahlsystemen der renommierten Colleges liegen, die neben reichen Eltern hervorragende Leistungen voraussetzen, um überhaupt aufgenommen zu werden.Overachievement gehört deshalb für viele Familien zur strategischen Tagesordnung. Es gibt nur ein Ziel: Bestnoten – unbesehen davon, welche Anstrengungen erforderlich und welche psychischen Beeinträchtigungen damit verbunden sind.

Hierzulande ist die Situation nicht derart krass, doch die Tendenz ist unübersehbar. Manche Kinder sollen unentwegt hochleistungsbereit sein und Ergebnisse liefern, die jedoch nicht selten über ihrem Motivations- oder Fähigkeitsniveau liegen. Manchmal gilt dies auch für ihre anspruchsvollen Freizeitaktivitäten. Solche Kinder wirken wie Hochleister, die fleißig lernen und sich Anforderungen anpassen können. Doch der Eindruck täuscht. Kinder, die mehr leisten müssen als sie eigentlich können, dürfen nicht mehr »normal« sein, weil Scheitern gewissermaßen verboten ist. Deshalb werden schlechte Noten sofort mit zusätzlichem Engagement ausgebügelt oder es wird nach einer Lernstörung gesucht, um nicht zufriedenstellende Leistungen legitimieren zu können.

Das Grundproblem: Die Fixierung auf Hochleistung

In den letzten Jahren sind viele Bücher mit teils aufsehenerregenden Titeln (DieBurnout-Kids) erschienen, die von massiven emotionalen Problemen heutiger Kinder und Jugendlicher berichten. Meist werden der schulische Leistungsdruck, die sozialen Medien und der verwöhnende Erziehungsstil dafür verantwortlich gemacht. Solche Parameter sind keinesfalls zu leugnen, aber sie verkörpern vor allem Begleiterscheinungen, welche die Sicht auf das Grundproblem verdecken.

Der Ursprung von Überleistung liegt kaum in den Kindern selbst und nur teilweise in Lehrkräften oder Eltern, sondern vor allem in Gesellschaft und Bildungspolitik. Wettbewerbsorientierung, Akademisierung sowie der Appell an eine »verantwortete Elternschaft«1 waren um die Jahrtausendwende die Wegbereiter, welche die Überleisterflamme entzündet haben. In der Zwischenzeit hat sie auf Bildungssystem und Familie übergegriffen. Entstanden ist eine Optimierungskultur, welche Überleistung zu einem gesellschaftlichen Mandat macht. Damit ist gemeint, dass Ideen, welche die Sichtweisen von immer mehr Menschen steuern, einen bestimmten Verhaltens- und Denkstil vorgeben, der zu einem gesellschaftlichen Code wird.

Doch es wäre falsch, Überleistung ausschließlich als negatives oder gefährliches Phänomen zu verstehen. Es gibt Kinder, die Merkmale von Überleistung zeigen, aber seelisch in ausgewogener Verfassung sind, ein gutes Selbstwertgefühl haben und sich positiv entwickeln. Beispiele sind durchschnittlich intelligente, wissensdurstige Kinder, die gerne zur Schule gehen, sodass sie von Eltern und Lehrkräften manchmal fast gebremst werden müssen. Doch solche Kinder gibt es eher wenige.

Wie versetzt man Kinder in einen
gebildeten Zustand?

Dass Überleistung