: Franco Cardini, Antonio Musarra
: Die große Geschichte der Kreuzzüge Von den Soldaten Christi bis zum Dschihad
: Theiss in der Verlag Herder GmbH
: 9783806244229
: 1
: CHF 21.30
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: Allgemeines, Nachschlagewerke
: German
: 600
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Religionskriege, Ideologiekriege oder frühe Formen der Kolonialkriege? Die Geschichte der Kreuzzüge ist lang. Auch wenn sie im Hochmittelalter als bewaffnete Pilgerfahrten nach Jerusalem entstanden, blieben die religiös motivierten Kriege nicht allein auf das 12. und 13. Jahrhundert beschränkt. Die beiden Experten für europäische Mediävistik Franco Cardini und Antonio Musarra stellen detailliert dar, wie sich das Phänomen Kreuzzug über die Jahrhunderte entwickelte: Vom ersten Aufkommen des Kreuzzug-Gedankens über Luthers 'Türkenbriefe' bis zur neuzeitlichen Verteidigung der balkanischen und mediterran-östlichen Grenzregionen. - Warum gab es Kreuzzüge? Die Rechtfertigungen für Kriege im Namen der Religion - Auf Waffen- und Bußgang ins Heilige Land: Wer waren die Kreuzritter? - Institution Kreuzzug: Militärische, kulturelle und politische Hintergründe - Das neue Standardwerk: Glänzend erzählte und reich bebilderte Gesamtdarstellung - Ein faszinierendes Geschenk für Geschichtsinteressierte   Streifzug durch die europäische Geschichte vom Hochmittelalter zur Neuzeit Ob christliche Kreuzfahrer oder moderne Dschihadisten - sie alle legitimierten die Gewalt mit religiösen Argumenten. Die Autoren stellen bei der Darstellung der kriegerischen Auseinandersetzungen den Mittelmeer-Raum ins Zentrum des Geschehens. Die abschließende Betrachtung der Kreuzzüge aus Sicht der Araber vervollständigt die erste umfassende Gesamtdarstellung, die die Thematik in ihrer ganzen Breite erfasst. Über 180 Abbildungen machen die Geschehnisse greifbar und sorgen für Überblick. Das macht 'Die große Geschichte der Kreuzzüge' zu einem neuen Standardwerk zu einem der Zentralthemen der Geschichte!

Franco Cardini, geb. 1940, studierte in Florenz, Poitiers und Moskau und lehrte u.a. in Paris, Göttingen, Wien und Boston. Von 1989 bis zu seiner Emeritierung war er Professor für mittelalterliche Geschichte an der Universität Florenz. Er hat zahlreiche erfolgreiche Bücher zur mittelalterlichen Geschichte veröffentlicht, von denen viele auch auf deutsch erschienen sind, so seine Barbarossa-Biographie oder sein Buch 'Europa und der Islam. Geschichte eines Missverständnisses'. Antonio Musarra lehrt mittelalterliche Geschichte an der Universität Sapienza in Rom. Er ist spezialisiert auf das mittelalterliche Genua, die Kreuzzüge und die italienische Expansion im Mittelmeer (10. bis 15. Jahrhundert). Seine Forschungsinteressen umfassen Handelsnetzwerke, Navigation und Seekriegsführung.

Kapitel eins

Die Kreuzzugsidee und ihre Wurzeln


Heiliger Krieg, Dschihad und Kreuzzug


Am Ausgang des 11. Jahrhunderts als bewaffnete Pilgerfahrt ins Leben gerufen, entwickelte sich der Kreuzzug zum Kampf um die Bewahrung oder Rückeroberung des Heiligen Landes. Er war die unmittelbare und quasi natürliche Fortsetzung jener Kriege, die gegen die Mauren auf der Iberischen Halbinsel, die Muslime auf Sizilien und die sarazenischen Freibeuter im Mittelmeer geführt worden waren und wurden. Von der Kirche institutionalisiert und instrumentalisiert, sollte er noch verschiedenen Zwecken dienen, sei es die kirchliche Expansion im Nordosten Europas, sei es die Unterdrückung von Häretikern und politischen Gegnern. Häufig trafen Kreuzzug und christliches Missionsideal zusammen, wobei sie mal im Widerspruch zueinander standen, mal einander ergänzten. In jedem Fall ging der Kreuzzug mit dem Streben nach innerem Frieden der Christenheit einher, lag darin doch die Grundvoraussetzung für ein wirksames Vorgehen gegen die Ungläubigen. Als die südöstlichen Grenzen Europas im 14. und 15. Jahrhundert zunehmend durch die osmanische Expansion bedroht wurden, änderte er erneut sein Erscheinungsbild und gab sich nun als Verteidigungskrieg eines geeinten Kontinents und »seines« Meeres gegen die neue Bedrohung durch die Barbaren. Die folgende Phase einer Politik der Bündnisse gegenden Türken, die bis ins 18. Jahrhundert andauerte, ließ neben das religiöse Element ein politisch-diplomatisches treten, wobei Ersteres nie ganz verloren ging, sondern im kollektiven Bewusstsein bis heute weiterlebt.

Es stellt sich also die Frage: Was waren die Kreuzzüge? Religionskriege, ideologische Kriege oder doch Kolonialkriege? Ein frühes Beispiel systematischer Aggression des Okzidents gegenüber dem Orient? Ein fernes Modell rassistisch motivierter Bluttaten? Im gesammelten Schrifttum – mittelalterlichem wie modernem – werden die Kreuzzüge häufigbella sacra, Heilige Kriege, genannt. Bisweilen wird das Adjektivsacrum, nicht immer mit der gebührenden Sorgfalt gegenüber den theologischen Implikationen, durchsanctum ersetzt. Dessen ungeachtet ist es im Christentum nie zur Ausbildung einer wirklichen Theologie des Heiligen Krieges gekommen. Ebenso wenig waren die Kreuzzüge – also die von dem Wunsch, die heiligen Stätten in Besitz zu behalten oder (zurück) zu erobern, befeuerten Feldzüge, die seit dem 13. Jahrhundert kanonistisch entsprechend untermauert waren – jemals als Religionskriege konzipiert. Und noch weniger galten sie bei der Bekehrung der Ungläubigen als parallele oder gar alternative Form zum Missionsauftrag. Kam es trotz allem zu Fällen von erzwungener Konversion, sind diese von der Kirche nie als Ergebnis einer Missionsabsicht legitimiert worden.

Dies gilt im Übrigen auch für den Islam: Der Dschihad ist kein Heiliger Krieg, sondern eine absolute Bemühung (eine Anstrengung), die man im Namen einer Sache auf sich nimmt, die theologisch und rechtlich