Die Gräfin Churzy war bisher dreimal verliebt gewesen.
Zuerst, als sie einfach Letty Price, kaum acht Jahre alt und sich des Ernsts des Lebens herrlich unbewusst war, liebte sie ihren besten Freund, Joey Purser. Sie spielten jeden Tag zusammen, bis Joeys Mutter ihn zum Arbeiten in das Sägewerk der Prices schickte. Da durfte sie dann als Tochter des Besitzers nicht mehr mit Joey spielen.
Zum zweiten Mal, als sie verliebt war, war sie Miss Leticia Price, Schwester der Lady Widcoate, und von jedem ehrbaren Mitglied der Gesellschaft gemieden. Da sie nur die Tochter eines Sägewerksbesitzers war, war ihres Vaters Vermögen zwar genug, ihrer Schwester ein Landei mit Titel zu erkaufen, doch dass Leticia dachte, dass ihre Schönheit und Grazie ihr in den oberen Kreisen weiterhelfen würden, das war einfach zu viel der Anmaßung. Da begab sich Konrad Herzog, Graf Churzy, auf die Seite des Raumes, wo sie saß, und forderte sie zum Tanz auf. Er war ein österreichischer Aristokrat, der London genoss, während die letzten Überreste des Krieges sich verflüchtigten, und Leticia verliebte sich im selben Augenblick in ihn, als er ihr während der Quadrille zuzwinkerte.
Das dritte und letzte Mal, da Leticia – nunmehr verwitwet, verzweifelt und auf Ausschau nach einer sicheren Zukunft – wusste, dass sie verliebt war, da hatte sie gerade ihre Schlafzimmertür aufgestoßen und den Earl von Ashby vorgefunden, wie er da auf der Schwelle stand.
»Oh … hallo, Letty«, flüsterte er; seine Hand hing weiterhin in der Luft.
»Guten Abend«, gab sie mit einem halben Lächeln auf den Lippen zurück. »Du scheinst dich zu wundern, mich zu sehen.«
»Ich dachte, du würdest vielleicht schlafen.«
»Warum dann klopfen?« Ihr Morgenrock war keineswegs unzüchtig – leider. Sie arbeitete jedoch, womit sie konnte, rollte ihre Schultern zurück und zeigte ihren Busen so vorteilhaft wie möglich.
Seine Mundwinkel kamen hoch, da seine Augen sich dankbar senkten. Er musste wissen, was sie da vorhatte. Sie hatten dieses Spiel nun schon wochenlang gespielt.
Vor lauter Spannung überschlug sich ihr Herz. Ihr Blut stieg davon auf.
Und an diesem Abend war es nicht das erste Mal, dass der Earl von Ashby ihr solche Gefühle verschafft hatte.
»Weil ich nicht schlafen kann, und ich dachte, du vielleicht auch nicht«, antwortete er.
»Ich versuchte es mit aller Tapferkeit. Es ist schon lange nach Mitternacht, Mylord.«
»Dann ist es ein Glück, dass ich Sie erwische, Mylady.« Etwas fiel ihm über die Augen. Etwas Ehrliches und Schweres. Er holte tief Luft, dann nochmal, bevor er sprach. »Ich wollte sichergehen, dass es dir gut geht. Ich … ich habe mich heute Abend vorschnell verhalten.«
»Ach ja?«, fragte sie ganz unschuldig. »Wie das?«
»Heute Abend, beim Sommerball, als ich …« Er räusperte sich.
»Als du mich geküsst hast«, sagte sie ihm vor.
Oh ja, er hatte sie geküsst. Sie war auf der anderen Seite des Raumes gestanden und hatte mit jemandem geredet – es mochte ihre Schwester, Fanny, gewesen sein, doch sie konnte sich nicht mehr erinnern, denn in jenem Augenblick stockte ihr der Atem und ihr Herz begann sich aus ihrer Brust zu schlagen, als sie sah, wie der Earl von Ashby herankam und seiner Beute nachjagte.
Wie er ihr nachjagte.
Bevor sie auch nur ausatmen konnte, hatte er sie in seine Arme gerissen und küsste sie, gleich da auf der Tanzfläche einer öffentlichen Halle, vor aller Welt.
Es war, nach einer Lebenszeit voller Enttäuschungen, ihr Sieg.
Obwohl es eine ziemlich skandalöse öffentliche Zurschaustellung war, kam es nicht aus heiterem Himmel. Sie und der Earl von Ashby hatten sich in den vergangenen zwei Wochen angenähert. Er und sein Geschäftsmann, Mr. Turner, waren gekommen, im Anwesen ihrer Schwester zu übernachten, während er einige Schwierigkeiten um ein Grundstück klärte, das ihm in der Nähe gehörte. Dass sie zufällig zur selben Zeit wie ein recht gutaussehender und überaus wohlhabender, bekannter Gentleman ihre Schwester besuchte, das war nicht zu beachten.
Dass sie beinah seit dem Augenblick seiner Ankunft unzertrennlich gewesen waren, d